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Immer häufiger geraten Journalisten ins Visier von US-Gerichten.

Es war einmal ..., dass amerikanische Journalisten ihre vertraulichen Quellen für sich behalten konnten, nicht aufdecken mussten. Es war einmal ..., denn jetzt werden sie genötigt und gezwungen, Informanten, die anonym bleiben wollen, zu nennen. us-Journalisten geraten immer häufiger ins Visier der Gerichte, von welchen einst Quellenschutz sowie die verfassungsmäßige Informations- und Pressefreiheit garantiert wurden. Heute stellen sie diese Rechte jedoch in Frage. Diese Tatsache sei zweifellos eine Auswirkung der Antiterrorpolitik Präsident Bushs, urteilt dazu die auf Bürgerrechte spezialisierte Anwältin Laura Handman in Washington. Denn wo strengste Geheimhaltung oberste Priorität ist, dort müssen Journalisten und potenzielle Quellen davon abgeschreckt werden, Informationen zu verbreiten, die der Bevölkerung vorenthalten bleiben solle.

Jagd auf Journalisten

Es war einmal ..., als Timothy Phelps, Reporter der Tageszeitung Newsday, und Nina Totenberg, vom öffentlichen National Public Radio, darüber berichteten, dass eine Anita Hill einen Clarence Thomas, Kandidat für den Obersten Gerichtshof der usa, der sexuellen Belästigung bezichtigte. Ein Senats-Rechtsanwalt machte daraufhin den Versuch, die beiden Journalisten zur Preisgabe ihrer Quelle, der die beiden Stillschweigen versprochen hatten, zu zwingen. Das Parlament aber ließ den Anwalt abblitzen - es stellte die Pressefreiheit über alles andere. Wie gesagt, es war einmal ... im Jahre 1991.

Heute, nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center und im noch nicht wirklich siegreich beendeten Irak-Krieg, liegt in den Staaten eine völlig neue presserechtliche Situation vor. "Die Jagd auf Journalisten scheint freigegeben zu sein", so urteilt die Bürgerrechtsanwältin Laura Handman.

Furcht und Schrecken

Mit dem Zweck, sie zur Preisgabe ihrer Informanten zu zwingen, wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres genauso viele Journalisten vor Gericht zitiert wie im ganzen Vorjahr. Dies hat der Medienanwalt Kurt Wimmer der New York Times mitgeteilt. Wimmer vertritt im Namen der Anwaltskanzlei "Covington & Burling" 45 tv-Stationen in 40 amerikanischen Bundesstaaten. Peter Boyle, Vize-Präsident der "Newspaper Association of America", berichtet: Allein in den letzten zwölf Monaten wurden zwei Dutzend us-Journalisten vor Bundesgerichte geladen oder polizeilich vernommen - alles wegen Informationsquellen, deren Freigabe und Aufdeckung erzwungen werden sollten.

"Die größte Furcht der Reporter betrifft nicht ihre Post oder ihre Telefonate, die vielleicht ohne ihr Wissen überwacht werden - ihre größte Sorge ist es vielmehr, dass sie gezwungen werden können, über das Auskunft zu geben, was sie in Erfahrung gebracht haben." So äußerte sich jetzt John Salomon, der bei der Nachrichtenagentur Associated Press für investigativen Journalismus zuständig ist.

"Und diese Furcht ist gerechtfertigt", sagt dazu der republikanische Repräsentantenhaus-Abgeordnete Mike Pence aus dem Bundesstaat Indiana. Aus diesem Grund streitet er im Parlament für ein Gesetz, das Journalisten größtmöglichen Schutz gewähren soll - bisher blieben seine Bemühungen jedoch erfolglos.

Der jüngste und spektakulärste Fall aus dem Hause New York Times: Judith Miller, investigative Reporterin des Blattes, wurde in Handschellen und an den Füßen gefesselt in Beugehaft gebracht. Dies geschah, weil sie sich weigerte - übrigens mit Rückendeckung ihres Blattes - jenen Informanten zu nennen, der ihr Informationen über eine Geheimdienst-Mitarbeiterin vermittelt hatte. "An Händen und Füßen gefesselt, wurde ich am Kapitol vorbeigefahren", sagte sie aus ihrer Zelle heraus, "und ich dachte, mein Gott - wie konnte es nur so weit kommen?"

Beugehaft

Ihr Verleger, Arthur Sulzberger, veröffentlichte folgende, ein deutliches Zeichen setzende Stellungnahme: "Judith Miller folgte ihrem Gewissen. Es gibt Zeiten, da das hohe Gut unserer Demokratie eine Gewissensentscheidung verlangt. Jetzt hoffe ich, dass der Kongress endlich ein Gesetz verabschiedet, das andere Journalisten davor bewahrt, ins Gefängnis zu kommen, nur weil sie ihrer Aufgabe nachkommen."

Ein anderer Reporter - Matthew Cooper vom Time Magazine - entging der Beugehaft, jedoch erst nachdem er seine Quelle genannt hatte. Diesmal allerdings noch mit ihrer Zustimmung.

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