Reality-Check beim Stubenarrest

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Eigentlich hätte ihr das alles nie passieren dürfen. Eigentlich hätte gerade sie wissen müssen, wie lebensnotwendig Auszeiten sind. „Das Glück der Unerreichbarkeit“ lautete der Titel jenes Buches, das die Kommunikationsexpertin Miriam Meckel 2007 mit großem Getöse publiziert hatte. Ausführlich beschrieb die ehedem jüngste Universitätsprofessorin Deutschlands darin, warum das menschliche Gehirn nicht multitaskingfähig sei. Wenn man glaube, Aufgaben zeitgleich erledigen zu müssen, werde man nicht schneller oder besser, sondern nur langsamer und müde im Kopf. „All das weiß ich“, gesteht Meckel heute. Doch: „Zwischen Wissen und Anwenden klafft imLeben häufig eine tiefe Kluft.“

Erst recht im Leben der Powerfrau Meckel: Statt sich Pausen zu gönnen, hetzte die 43-jährige Lebensgefährtin von TV-Moderatorin Anne Will von Flughafen zu Flughafen, von Termin zu Termin – bis sie eines Morgens nach dem Checken ihrer E-Mails zusammenbrach.

Edel-Variante der Depression

Die Diagnose des Arztes: schwerer Erschöpfungszustand in Verbindung mit einer Infektion der Stoffwechselorgane. Gottlob verwendete er nicht den gängigen Begriff „Burnout“ dafür. „Ich hasse dieses Wort“, schreibt Meckel in ihrem „Brief an mein Leben“, den sie während ihres Klinikaufenthaltes im Allgäu zur Aufarbeitung des Geschehenen verfasst hat. Das Burnout sei die „gesellschaftlich anerkannte Edel-Variante der Depression und Verzweiflung, die auch im Moment des Scheiterns das Selbstbild unangetastet lässt“, zitiert Meckel die Süddeutsche Zeitung. „Nur Verlierer werden depressiv, Burnout dagegen ist eine Diagnose für Gewinner, genauer: für ehemalige Gewinner.“

Miriam Meckel selbst passt perfekt in dieses Klischee: Ausgerechnet die „Inaktivitätstage“ und der „Stubenarrest“ in der Klinik bringen sie auf die Idee, ein Buch zu schreiben. Sie gibt darin Persönlichstes von sich preis, erzählt von ihrer Mutter, geißelt die „funktionale Leistungsgesellschaft“ und gelobt Besserung: „Liebes Leben“, schreibt Meckel, „Komm zurück zu mir und lass mich zu. Ich werde Dich auch zulassen, denn ich vermisse Dich so.“ Möge die Übung diesmal gelingen. (dh)

Brief an mein Leben

Erfahrungen mit einem Burnout

Von Miriam Meckel. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010, 224 Seiten, geb., € 19,50

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