Reibebäume für Marcel!

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Eine neue Blüteperiode" sah er im Garten der Neuerscheinungen hereinbrechen. Was war geschehen? Wodurch war der literarische Chefankläger Dienstag vergangener Woche beim ZDF zum Schmusekater mutiert? Marcel war in seiner halbstündigen Alleinunterhaltungsshow Reich-Ranicki Solo zweierlei zu Kopf gestiegen: Zum einen die Kennmusik der Sendung, jene "Hymne der Kritik", die schon sein Vorbild Alfred Kerr zum Fehlschluss verleitet hatte, ein guter Kritiker könne nur mit Harfe oder Steinschleuder hantieren. Tatsächlich blieb MRR aller Zwischentöne abhold und packte die Lobesleier aus: Da wurde Günter Grass Honig ums Maul geschmiert, dass es uns und Marcel selbst zu Tränen rührte; da wurde Philip Roth besungen und der Geheimdienstdossierschreiber Carl Zuckmayr als "Meister der Porträtkunst" aufgedeckt.

Vor allem ein Zweites führte aber diesmal den Schlächter schlechter Bücher zum Mittelmaß: MRR fehlte der existenzielle Reibebaum. Wie viele hatten wohl Sigrid Löffler herbeigesehnt, um den Widerborst - wenn auch erfolglos - in die Schranken zu weisen und ihm damit die Initialzündung zu verpassen?

Doch so schmetterte Marcel seine Lobeshymnen mühsame 30 Minuten lang unwidersprochen ins Nichts. Ein Mann wie er braucht freilich streitlustige Gegner. Sonst schnappt er wie das böse Krokodil nicht nach dem armen Kasperl - sondern nur nach Luft. DH

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