Retro, aber gelungen

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn der ORF auf alt macht: Zur Gretchenfrage nicht nur des ORF am Beispiel des Club 2 und eines Interviewbandes über öffentlich-rechtliches TV.

Wenn Michael Jeannée, Wort-Rabauke, unzufrieden ist, dann hat der ORF sicher etwas richtig gemacht: Seinen - gemeint: Günther Nennings - Club 2 habe der ORF wieder auferstehen lassen. Und da muss sich Michael, der Hiergebliebene, an den verblichenen Wurstel der Nation brieflich per Krone richten: Schlimmer als "so schlimm kann es einfach nicht gewesen sein" war dieser Club 2 neu, jammerte die Rabiatfeder - man spürte förmlich, wie zwischen diesen Zeilen heiße Luft verpuffte. Da war das Verdikt von Adolf Holl, Kollege des Club 2-Moderators Günther N. schon weit schmerzhafter, denn der Ketzer vom Dienst verfolgte gemeinsam mit der Presse das Revival der Talk-Legende und diktierte der Redakteurin ein "Von A bis Z missglückt".

Aufgegangenes Konzept

Was Michael Jeannée über eine TV-Sendung denkt, war noch nie ein Maßstab für unsere Kritik, und auch Holls vernichtendes Resümee des ersten Mals nehmen wir cum grano salis - denn als Club 2- Gastgeber a.D. müssen wir ihm doch ein gerüttelt Maß Befangeheit zugestehen. Fazit: Jeannée und Holl zum Trotz, konnte sich dieser Einstand des neuen Club 2 sehen lassen. Man kann sicher darüber debattieren, ob das ganz auf Retro getrimmte Sendungskonzept auch nach ein paar Wochen noch trägt. Und es mag auch zu hinterfragen sein, ob die Einladungspolitik bei dieser Runde eine glückliche war: Kein Vertreter eines Qualitäts-Printmediums, dafür - als Zugeständnis an den großen Alten der heimischen Medienlandschaft - die Gratiszeitungsmacherin aus dem Dichand-Clan (die vor Jeannée im Übrigen als einzige Gnade fand: "Aber Gott sei Dank war da noch eine kühle blonde Schwiegertochter namens Eva Dichand …")

Vielleicht war auch das Thema "Meinungsfabriken", sprich: die bösen Medien, fürs erste Mal ein wenig gar sperrig. Aber - nimmt man all die einem Erfolg scheinbar entgegen stehenden Präliminarien - dann ist dieser erste Club 2 neu als gelungen zu bezeichnen: Vieleicht sind wir selber ja ganz und gar retro und hängen einer glorreichen Vergangenheit nach. Dennoch: endlich einmal, seit langem wieder eine entspannt diskutierende Runde kundiger Personen, die etwas zu sagen haben - der Medienmogul a.D. ebenso wie die Streeruwitz, die ihrer Rolle als Widersacherin gegen die Medienwunderwuzzis voll gerecht wurde und diese sichtbar lustvoll einnahm: Weiter so! Und wenn in der Kritik am ORF gerade in den letzten Tagen wieder die Forderung nach mehr "öffentlich-rechtlichem Programm" lautstark artikuliert wurde, so ist die heimische Anstalt darin zu bestärken, mit Retro-Formaten wie diesem Club 2 ebenso herumzuexperimentieren wie mit ganz neuen Formen von Information und Diskurs, wiewohl die ORF-"Reform" gerade bei Letzteren noch nicht allzuviel Nachhaltiges erkennen ließ.

Die Gretchenfrage

Die Gretchenfrage "Hat öffentlich-rechtliches Fernsehen Zukunft?" stellt auch ein kürzlich erschienener Interviewband, für den Studierende des Wiener Fachhochschulstudiengangs Journalistik Gespräche mit Medienexpert(inn)en geführt haben. ORFler und Gurus des deutschen Privatfernsehens wie Gerhard Zeiler und Helmut Thoma finden sich da ebenso wie die Alt-ORF-Generäle Monika Lindner und Gerhard Weis, dazu Meinungs- und Medienforscher sowie Öffentlich-Rechtliche aus anderen Ländern Europas. Während ein Privat-TV-Kämpfer wie Helmut Thoma da gleich den Tod des öffentlich-rechtlichen Funks ausruft und ORF-Altvorderer Gerhard Weis den Bildungsauftrag darin begrenzt sieht, dass sich das Publikum nur bedingt bilden lassen will, setzt der britische Spanienkorrespondent Gilles Tremlett aufs Erfolgsmodell BBC, das beweise, dass ein öffentlich-rechtliches Programm auch ökonomisch erfolgreich sein kann. Ein Beispiel, dem der ORF nachfolgen soll? Gerhard Weis bleibt da skeptisch, denn für ihn geht die BBC in Richtung "Selbstkommerzialisierung". Welches europäische Land dann den besten öffetlich-rechtlichen Rundfunk habe? Gerhard Weis' überraschendes Fazit: Deutschland!

Hat öffentlich-rechtliches Fernsehen Zukunft?

Hg. Reinhard Christel, Clemens Hüffel, Anneliese Rohrer. Holzhausen Verlag, Wien 2007. 176 Seiten, kt. € 19,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung