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Im Kampf um Zuschauer ist den TV-Machern nichts zu blöd. Jetzt sollen gar menschliche Spermien gegeneinander antreten - vor der Kamera.

Wenn Mausi Lugner ihren Gatten zum Schönheitschirurgen schleppt, um ihm für den Opernball eine Portion Botox ins Hirn spritzen zu lassen, dann sind die Kameras von ATVplus dabei. Österreichs privater Fernsehsender und Vorkämpfer auf dem Gebiet des schlechten TV-Geschmacks buhlt mit allen Mitteln um die Gunst der Zuschauer. Bei ATVplus sieht man das anders: "Wie der Name schon sagt, zeigen Reality-Formate einen Ausschnitt aus der Realität. ATVplus ist bei seinen Reality-Formaten darauf bedacht, nicht bis an die Grenzen der Geschmacklosigkeit zu gehen", sagt Sabine Oberzaucher aus der ATVplus-Unterhaltungsabteilung.

Neben den Lugners flimmern allerdings noch ganz andere TV-Formate über den Schirm: Etwa die US-Reality-Dokus Betrogen - Ich habe es geahnt, in der man eheliche Fremdgänger überführt, oder Baby Boom, wo werdende Mütter bis in den Kreißsaal begleitet werden.

Jüngster Streich: Mit Operation Schönheit hat ATVplus eine Dokusoap im Programm, die 30 Österreicher auf dem Weg zum Schönheitschirurgen begleitet. Vorgespräche, Operationen, das Ergebnis - alles frei Haus.

Quote mit Sperma

In Deutschland wurde eine ähnliche, wenn auch um einiges kompromisslosere Sendung erst kürzlich gekippt: Der Sender RTL 2 plante die Live-Übertragung von Schönheitsoperationen im TV. Im Big Brother-Haus (die Voyeur-Soap existiert mittlerweile in der 5. Auflage) hätte man eine solche Operation an einem Kandidaten kostenlos durchgeführt, Millionen Zuschauer wären live dabei gewesen. Doch die Kommission für Jugendmedienschutz untersagte eine Ausstrahlung von Schönheits-OPs vor 23 Uhr, weshalb RTL 2 den Plan kurzerhand fallen ließ. Die Quote wäre um diese Zeit trotz Schönheits-OP wohl eingeschlafen.

Wer derlei Operationen im TV sehen möchte, bleibt also auf ATVplus oder auch MTV angewiesen, wo derzeit die US-Show I want a famous face läuft, in der sich junge Mädchen zu Pamela Andersons "aufrüsten" lassen. Bei MTV ist man stets um Vorbildwirkung beim jungen Publikum bemüht: Schon seit Jahren werden sämtliche "Fuck"-Ausdrücke mit Pieps-Tönen überspielt, nackte Haut wird keusch mit Weichzeichner verfremdet. I want a famous face führt diese Taktik ad absurdum: Jungen Mädchen wird suggeriert, dass die Schönheitschirurgie das einzige Mittel zu Ruhm und Reichtum ist.

Der Ursprung vieler dieser TV-Shows liegt bei der niederländischen TV-Schmiede Endemol. Der Big Brother-Erfinder tüftelt zur Zeit an einem völlig neuen, äußerst fragwürdigen Reality-Format: Sperm Race soll die Sendung heißen. Der Inhalt: Zwei Männer treten gegeneinander an, oder besser gesagt: deren Sperma. Auf einer Art "Rennstrecke" soll nachgewiesen werden, welcher der Testkandidaten potenter ist. Welches Sperma ist schneller unterwegs, welches ausdauernder? Endemol-Deutschland-Chef Borris Brandt erklärte dem Spiegel: "Wir machen Infotainment. Da kann man mal sehen, wer fruchtbarer ist: der Computerfreak, der jeden Abend Wodka trinkt, oder der sportliche Motorradrocker." Ist das Sperma-Fernsehen am Ende gar ein Erziehungsprogramm, das uns die richtige, gesunde Lebensweise verrät?

In den USA gehen die TV-Macher noch einen Schritt weiter: Dort dürfen die Sieger-Spermien in der Show Make Me A Mum (Mach mich zur Mutter) eine Frau befruchten. Daraus entstandene Kinder können sich ihre Zeugung später einmal auf Video ansehen. Und da sage noch einer, das Fernsehen bringe keine Vorteile.

Quote mit Romantik

Dennoch: Für ATVplus wäre das Sperma-TV entgegen anderer Ansichten wohl nicht geeignet. Sabine Oberzaucher: "Gute Unterhaltung und gutes Infotainment enden dort, wo Schwachsinn beginnt. Es ist das erklärte Ziel von ATVplus, in allen Formaten qualitativ hochwertige Unterhaltung zu bieten."

Geradezu bieder erscheinen die Ideen der öffentlich-rechtlichen Sender, um im Quotenkampf zu überleben: Im ORF durchqueren Alpinisten auf einer langweiligen Tour das heimische Gebirge. Expedition Österreich ist mit rund 400.000 Zusehern zumindest laut ORF ein respektabler Erfolg in der Zielgruppe.

Im ZDF zieht Thomas Gottschalk bei ausgesuchten Familien ein und spielt dort den Hausmann und Ersatzvater. Außerdem haben die ZDF-Macher noch eine Dokusoap im Köcher: Gesucht sind Lehrer, die in der Sendung Die harte Schule eine Klasse 16-Jähriger in den Internatsalltag der 50er Jahre zurückversetzen sollen. Das bedeutet: Rohrstaberl statt bauchfreier T-Shirts.

Weniger realistisch, dafür umso kitschiger soll es bei der ZDF-ORF-Telenovela Bianca - Wege zum Glück zugehen. Seit Anfang letzter Woche wird in den Studios Babelsberg gedreht, ab Herbst bricht die große Herzschmerz-Seifenoper in insgesamt 200 Folgen auf die Zuschauer herein. Spätestens dann wird man wissen, ob sich die ORF-Gebührenerhöhung vom vergangenen Jahr ausgezahlt hat.

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