Schimpf und Schande

Werbung
Werbung
Werbung

In der diesjährigen Osterausgabe der furche freuten wir uns in dieser Kolumne noch: 50.000 Schilling, so das erstinstanzliche Urteil, sollte die rechte Extrem-Wochenschrift Zur Zeit dem jüdischen Journalisten Karl Pfeifer zahlen. Pfeifer war in Zur Zeit - in einem mit dem Pseudonym "Erwin Steinberger" gezeichneten Schmähartikel - als Tugendterrorist denunziert worden: Pfeifer habe gegen den Politologen Werner Pfeifenberger eine "Menschenhatz eröffnet", die "in der Folge bis zum Tod des Gehetzten" ging.

Pfeifer hatte nämlich bei einem Beitrag Pfeifenbergers für das FP-Jahrbuch 1995 "Nazi-Diktion" konstatiert. Wegen dieses Beitrags wurde Pfeifenberger von der Staatsanwaltschaft nach dem Verbotsgesetz angeklagt. Bevor es jedoch zur Verhandlung kam, starb Pfeifenberger, wahrscheinlich durch Selbstmord.

Zur Zeit bezichtigte Pfeifer darauf hin der Mitschuld am Tod Pfeifenbergers; Pfeifer klagte wegen übler Nachrede - und bekam vorerst Recht.

Doch nicht nur wir freuten uns zu früh: Das Oberlandesgericht Wien hob, so berichtet die Stadtzeitung Falter, dieses Urteil auf: Der Zur Zeit-Artikel stelle eine "zulässige Wertung" dar; die Meinung, Karl Pfeifer sei ein mörderischer Hetzer, möge "vielleicht schockieren oder stören", stütze sich jedoch "auf ein richtiges Tatsachensubstrat". Jene Richterin, welche diese seltsame Urteilsbegründung unterfertigte, habe - so der Falter - vor einem Jahr noch ganz anders entschieden: Als der Falter eine News-Karikatur mit Jörg Haider als Teufelchen abdruckte, habe sie diese Abbildung als "massiv ehrenrührigen Angriff" qualifiziert.

Wenn solch ein Urteil Schule macht, so bedeutet es nichts weniger, als dass ein Journalist, der einen strafwürdigen Sachverhalt aufzeigt (Verharmlosung des Nationalsozialismus ist strafbar!), ungestraft beschuldigt werden kann, einen präsumptiven Angeklagten in den Tod zu treiben. Es ist empörend, dass der skizzierte Fall samt Urteil in Österreichs Medien und Gesellschaft kaum zur Kenntnis genommen oder kritisiert wurde.

Zur Zeit wird sich - so prognostizieren wir - überschwänglich bestätigt fühlen. Das ist beileibe nicht das einzig Schimpfliche an diesen Vorkommnissen. Otto Friedrich

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung