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In Wien soll es einen "Offenen TV-Kanal" geben. Eine Machbarkeitsstudie dazu ist unterwegs.

Sein Arbeitsplatz war erlesen: Ein Jahrzehnt war Johannes Schütz Bibliothekar am Universitäts-Institut für Theaterwissenschaft: Hofburg, Michaeler-Trakt, Batthyany-Stiege, zweiter Stock, eine Etage über der k.u.k. Silbersammlung. Ein kleiner B-Posten in hohem Gemäuer, schlecht bezahlt, mit gutem Blick auf das moderne Loos-Haus, das sich neoantikem Barock des Michaelerplatzes widersetzt. Schütz verwaltete auf knarrenden Parketten 50.000 Bände angewandten Kulturschaffens. Sein Arbeitsplatz befand sich in den ehemaligen Wohnräumen des Schriftstellers Alexander Lernet-Holenia.

Seit kurzem hat Schütz andere Kämpfe auszutragen. Die Stadt Wien beauftragte ihn für 50.000 Euro nachzuweisen, dass die Hauptstadt als erste Stadt Österreichs einen "Offenen TV-Kanal" braucht. Die Expertise ist im Juni dem Bürgermeister zu überreichen. Dann folgt ein Förderantrag in der Höhe zwischen 0,6 bis 0,9 Millionen Euro. Vor allem der grüne Stadtrat Christoph Chorherr und der rote Presseinformationsdienst (PID) machen sich für das Projekt stark.

Der 40-Jährige Wiener hat mit zwei Co-Autoren nun viel zu tun. Organisationsmodelle werden entworfen, mit Medienanwälten Haftungsfragen geklärt, Ideen für Programmkonzepte gefördert, Planstellen kalkuliert. Bei diversen Vereinsobleuten der Stadt antichambriert er für das "Bürgerfernsehen" und ist damit mehr in der Stadt unterwegs als so mancher Kulturpolitiker. Viel Müh', wenig Ehr?

Medienpolitisches Neuland

"Offene TV-Kanäle" sind im Medien-Entwicklungsland Österreich völliges Neuland. Nicht in anderen Zonen: Demokratien mit hochentwickelten Grundrechten fördern den "dritten Sektor" im Fernsehbereich. In den USA, Mutterland der freien Rede, gibt es seit 1971 über 2.200 "Public Access"-TV-Sender. Der US-Kongress definierte sie 1984 im "Cable Communcation Policy Act" als direktes Erfüllungsinstrument der Verfassung im Sinne der Meinungsfreiheit.

Europäer ziehen mittlerweile nach: Skandinavische Länder entwickelten "Fernsehen der dritten Art". In Schweden existieren 30 "Offene TV Kanäle", in Dänemark 21 lokale Bürgersender.

Big Brother Deutschland

In Deutschland steht Fernsehen seit jeher auf stabilem Dreibein: öffentlich-rechtlich, privat, offen. Der direkte Nachbarschaftsvergleich zeigt die heimische Einfalt: Öffentlich-rechtliches TV existiert in Deutschland seit 1950, in Österreich seit 1956. Privatfernsehen beim Nachbarn seit 1984, in Österreich seit 1997. "Offene Kanäle" senden in Deutschland seit 1984 in 75 Städten. In Österreich besteht kein einziger.

Der deutsche Gesetzgeber erstellte am 1. Jänner 1984 die rechtliche Basis für "Bürgerfernsehen". Öffentlich-rechtliche Landesgesellschaften sind verpflichtet, zwei Prozent der TV-Gebühren in "Offene Kanäle" umzulegen.

Johannes Schütz kennt diese Fakten schon lange. Jahrelang wies er auf das demokratiepolitische Versäumnis Österreichs hin, "allen" Bürgern einer Stadt den freien Zugang zum audiovisuellen Medium Fernsehen zu gewähren. Bereits am 17. Juni 1988, also vor 14 Jahren, schloss er einen Artikel über "Bürger machen Fernsehen" im Wochenendfeuilleton der Tageszeitung Die Presse mit den Worten: "Heute kennen wir die westdeutschen Ergebnisse - und werden sie nicht auf Dauer ignorieren können."

1992 stellte Schütz in seiner Diplomarbeit als erster Österreicher "Offene Kanäle in Deutschland" kompetent vor. 1999 gründete er die Interessensvertretung "Arbeitskreis Offene Kanäle Österreich" (AOKÖ), hielt Lehrveranstaltungen an der Hochschule. 2000 initiierte er aus eigener Tasche die viersprachige Website www.offener-kanal.at.

Eigeninitiative statt Zensur

Das Prinzip des "Offenen Kanal" ist simpel: Bürger, nicht Journalisten machen Fernsehen. Die Themen stammen aus den Lebenswelten der Bürger und folgen nicht Auslesekriterien der Aktualität oder Vermarktbarkeit. Jedermann mit Ideen soll - unter Wahrung einschlägiger Gesetze (Wiederbetätigung, Pornografie) - auf Sendung gehen können. Den Interessenten wird technische Betreuung zur Seite gestellt. Der Zugang zum Sender ist kostenlos.

Auf der Website zum Offenen Kanal Wien (www. ok-wien.at) stellte eine Wiener Astronomie-Expertin bereits ihre Sendungsidee vor: "Astronomie für Jedermann". Die Themen: Schwarze Löcher, Epoplaneten und Raumfahrt in Österreich. Ein anderer Herr will ein "Alltagsphilosophisches Café", das er im Wiener Augarten jeden letzten Sonntag im Monat betreibt, in Form eines Club 2-Remakes ins "Bürgerfernsehen" bringen.

Solche Ansätze sind laut Johannes Schütz goldrichtig. Für ihn hat der "Offene Kanal" drei Grundfunktionen: "Stärkung der freien Meinungsäußerung. Stärkung der Medienkompetenz, die eine Schlüsselkompetenz ist. Stärkung des Gemeinwesens durch Förderung von Vereinsleben und städtischem Austausch."

"Auch die Kirche soll sich im Offenen Kanal besser präsentieren", so Schütz. Im "Wohnpark TV" in Alterlaa, das ein Inhouse-TV betreibt, welches für die Mieter im Telekabelnetz empfangbar ist, wird jeden Sonntag die katholische Messe im Fernsehen übertragen. Schütz: "Er ist uns ein besonderes Anliegen, dass junge Leute, etwa die katholische Jugend, im ,Offenen Kanal Wien' stärker über ihre Anliegen berichten."

In Deutschland besteht diese Allianz bereits: Das Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik macht nicht nur aktiv bei Offenen Kanälen mit sondern richtet sogar Tagungen zum Thema aus.

Kontakt zum "Arbeitskreis Offene Kanäle Österreich" (AOKÖ): Veithgasse 4/4a, 1030 Wien (Obmann: Johannes Schütz)

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