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Google will demnächst vor gefährlichen Webseiten warnen. Doch die Effizienz und Berechtigung solcher Maßnahmen ist umstritten.

Ein Virus dringt als Fremdbestandteil in die Zellen eines Lebewesens ein, vermehrt sich dort und befällt die Wirtszellen. So kennt man es zumindest aus der Biologie. Aber seit einigen Jahren spricht man meist von ganz anderen Viren. Der Verlauf ist zwar ähnlich, aber man besucht nicht einen Arzt oder lässt sich präventiv impfen. Vielmehr heißt es: Die Festplatte muss neu aufgesetzt werden, der Computer hat einen Virus.

Doch wie gelangen diese Viren auf den Heim-PC? Man hört von "betrügerischen" E-Mails, die schädliche Programme per Anhang einschleusen, und man weiß auch, dass es "bösartige" Webseiten gibt, die nur darauf warten, geöffnet zu werden und das System mit ihren Viren zu befallen. Aus diesem Grund haben Google, Sun Microsystem und der PC-Hersteller Lenovo die "Stop-Badware-Koalition" gegründet, um verstärkt gegen Webseiten mit schadhaften Programmen vorzugehen. Google installiert nun ein neues Warnsystem, das die entsprechenden Daten von dieser Koalition bezieht und den Benutzer bei Suchergebnissen über eine eingeblendete Zwischenseite vor potenziell gefährlichen Seiten warnt. Es bleibt jedoch dem Benutzer überlassen, ob er die Seite dann dennoch öffnet: "Wir sagen nicht, dass man die Seite auf keinen Fall besuchen soll. Wir wollen lediglich Anwender darauf hinweisen, was sie und ihre Computer beim Besuch gewisser Seiten erwartet", so John Palfrey, ein Mitinitiator des Projektes von der Harvard Law School.

Immer eine Gratwanderung

Ob ein solches Warnsystem auch wirklich eine Besserung bringen wird, bezweifeln sowohl Hans Zeger vom Datenschutzverein Arge Daten als auch Quintessenz, eine Vereinigung "zur Wiederherstellung der Bürgerrechte im Informationszeitalter". Microsoft sollte zuerst vor der eigenen Türe kehren und die eigenen Webseiten sichern, meint Zeger und vermutet hier eher "Sicherheitstuerei" als tatsächliche Sicherheitsmaßnahmen. Quintessenz schreckt es sogar ab, sich von Google vorschreiben zu lassen, welche Seiten man besuchen dürfe.

Das berührt eines der wohl grundlegenden Probleme im Zeitalter des World Wide Web. Derartige Versuche, dem Missbrauch dieser weltweiten Vernetzung entgegenzuwirken, können sehr leicht selbst in Missbrauch enden. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen adäquatem Sicherheitsschutz und dem Eingriff in die Privatsphäre. (Man denke da an Analogien aus der realen Welt, wie das Erfassen von biometrischen Daten bei der Einreise in die USA zwecks Terrorbekämpfung.) So wie ein Antivirusprogramm darauf eingestellt werden kann, schädliche Software aufzudecken, kann es ebenso auf eine Stichwortsuche programmiert werden. Das orten Datenschützer bei G-Mail, dem kostenlosen Mail-Service von Google: Hier wurde eine computerbasierte Textanalyse der Mails durchgeführt, und auf dieser Grundlage konnte eine inhaltsbezogene, auf den jeweiligen Benutzer abgestimmte Werbung geschaltet werden - ohne dass die Mails geöffnet wurden.

Auch Hans Zeger sieht in der Idee eines solchen Warnsystems die Gefahr einer möglichen Zensur, wenngleich es natürlich noch verfrüht wäre, ein Urteil zu fällen. Jedenfalls seien solche Warnsysteme oberflächliche Versuche, ein fehlerhaftes System zu verbessern.

Wie sollen sich nun Internetbenutzer ohne Fachkenntnisse verhalten, um eine Infektion ihres Rechners mit einem Virus zu vermeiden, solange kein wirksamer Impfstoff gefunden wurde? Quintessenz rät, sich einfach auf den "Hausverstand" zu verlassen. Eine schädliche Website sei auch mit wenigen Skills sehr leicht als solche zu erkennen (etwa über die Adresse), ebenso muss es Misstrauen erwecken, wenn man von der eigenen Bank eine Mail bekommt, die nach den Bankkonto-Daten fragt. Bei wem das nicht so ist, der hätte im Internet auch nichts verloren und solle lieber fernsehen.

Trampelpfad-Prinzip

Hans Zeger sieht das anders. Schadhafte Programme bemerke man oft erst, wenn es bereits zu spät ist. Der einfache Benutzer sei daher entweder auf Zufall angewiesen, dass alles gutgeht, oder er folge dem "Waldwiesen-Prinzip": "Wenn diese fünf Seiten bis jetzt keine Probleme bereiteten, kann ich sie auch weiterhin besuchen."

Es bleibt am Ende die große Skepsis gegenüber der Wirksamkeit des geplanten Google-Warnsystems. Schlussendlich wird erst die Praxis dessen Tauglichkeit zeigen. Bis dahin muss man sich wohl auf seinen "Hausverstand" verlassen.

www.quintessenz.at

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