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Das Programmangebot des ORF trägt, etwa im Unterschied zur BBC, den Bedürfnissen behinderter Menschen nach wie vor zu wenig Rechnung.

Rechtzeitig zur soeben beschlossenen Gebührenerhöhung des ORF (künftig werden Österreichs TV-Seher monatlich einen Euro mehr an Rundfunkgebühren zahlen), geht der ORF auch programmlich in eine Offensive, um die Erhöhung rechtfertigen zu können. "Lange geplante Programminnovationen und den internationalen Konkurrenzdruck" würden man jetzt am Küniglberg entspannter sehen, so Generaldirektorin Monika Lindner.

In der Vorwoche zog der ORF Bilanz über das Projekt "anders gleich: gleich anders", das zum "Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung" gestartet worden war. Präsentiert wurden vier TV-Spots, die sich mit den unterschiedlichsten Arten von Behinderungen auseinander setzen und vor allem vor spezifisch ausgerichteten Sendungen insgesamt 150 Mal zur Ausstrahlung gelangen werden. Motto der untertitelten Kurzfilmchen: "Es darf keinen Unterschied geben."

Humanitarian Broadcasting

Dieser Slogan spricht Franz-Joseph Huainigg, Behinderten-Sprecher der ÖVP, aus der Seele: "Ich finde es toll, dass nun verstärkt etwas getan wird. Ich habe in der letzten Zeit auch etliche wirklich gut gemachte TV-Beiträge in unterschiedlichen Sendungen gesehen, die mit dem Thema Behinderung wunderbar umgegangen sind." Doch der Medienpädagoge und Autor, selbst Rollstuhlfahrer, spart auch nicht mit Kritik: "Der ORF untertitelt nach wie vor viel zu wenige seiner Programme für Hörbehinderte. Dasselbe gilt für die simultane Übersetzung in Gebärdensprache. Außerdem gibt es keine eigene Sendung für behinderte Menschen, geschweige denn von Behinderten, und das Bild, das von Behinderten gezeichnet wird, ist immer noch das der leidenden, armen Krüppel. Die Medien sollten endlich zeigen, wie Behinderte wirklich sind."

"Nämlich ganz normale, durchschnittliche Menschen", ergänzt Theresia Haidlmayr, Behindertensprecherin der Grünen und gleichfalls Rollstuhlfahrerin: "Doch das will keiner sehen, denn das ließe sich nicht verkaufen. Aber die Menschen müssen endlich kapieren: Behinderte sind ein Teil der Gesellschaft." Haidlmayr findet ebenfalls, dass der ORF "viel zu wenige Sendungen behindertengerecht aufbereitet. Es genügt nicht, ein paar Sendungen zu untertiteln. Mir hat eine ORF-Mitarbeiterin stolz erzählt, dass es eine untertitelte Kindersendung gegeben habe. Doch was bringt das, wenn die Kinder noch gar nicht lesen können?"

Nach Auskunft von Jörg Ruminak, Leiter der ORF-Abteilung "Humanitarian Broadcasting" und damit auch Herr übers allweihnachtliche Charity-Programm "Licht ins Dunkel", strahlt der ORF derzeit 250 Stunden untertiteltes Programm (Teletext-Seite 777) pro Woche aus: "Und zwar quer durch alle Sparten: Von Information - etwa die ZiB 1 - bis zur Unterhaltung." Doch er räumt ein: "Natürlich ist das der Zielgruppe zuwenig. Das hat nichts mit unserem guten Willen zu tun. Sondern viel mehr mit unseren finanziellen Möglichkeiten." Ruminaks Abteilung sei stets bemüht, auch Feedback zu den Sendungen von Betroffenen einzuholen. "Denn wir sind ja auch Lernende." Das "Humanitarian Broadcasting" verstehe sich als "soziales Kompetenzzentrum" im ORF, allein im ersten Halbjahr wurden 136 Beiträge oder Sendungen über Behinderungen aller Art quer durch alle Programmbereiche gesendet. "Wir haben damit insgesamt 5,7 Millionen Menschen erreicht", ist Ruminak stolz.

Zuwenig für Theresia Haidlmayr: "Im internationalen Vergleich ist der ORF um Lichtjahre hinten." Und Franz-Joseph Huainigg hat die Zahlen dazu: "Der ORF untertitelt nur 10 Prozent seiner Sendungen. Bei der BBC in England sind es nahezu 100 Prozent. Schön wäre, wenn der ORF auf 50 Prozent käme. Eine der durchgeschalteten ZiBs könnte mit Gebärdensprache übersetzt werden, etwas, das es in anderen Ländern längst gibt." Wichtig wäre auch, dass Behinderte selbst Sendungen gestalten und moderieren könnten. Führend seien hier vor allem die skandinavischen Länder.

Behinderte müssen zahlen

Wichtiger als Quantität wären Huainigg und Haidlmayr aber eine andere Darstellung behinderter Menschen, "vor allem bei Sendungen wie Licht ins Dunkel. Das Bild von uns muss realistischer gezeichnet werden, weniger auf Mitleid", sagt Huainigg. Was der ORF nicht so sieht. Ruminak: "Bei allem Respekt: Licht ins Dunkel ist wirklich keine mitleidsheischende Institution".

Wie auch immer: Im Rahmen der Budgetbegleitgesetze wurde letzte Woche auch verfügt, dass Behinderte künftig einkommensunabhängig auch ORF-Gebühren entrichten müssen, die Befreiung davon hat ein Ende. "Was ich sehr begrüße, weil es uns gleichstellt", sagt Huainigg, und will, dass der ORF diese zusätzlichen Einnahmen zweckbindet: "Man rechnet mit etwa einer Million Euro. Allein die Gebärdendolmetschkosten, um ein ganzes Jahr lang die ZiB 1 zu übersetzen, würden nur 70.000 Euro ausmachen. Mit diesem Geld könnte man viel bewegen." Laut Huainigg gibt es bereits "sehr positive" Gespräche mit Monika Lindner. Das nächste soll im Juli stattfinden.

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