SPIEGEL knapp am Abgrund

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Dieser Tage jährt sich in Deutschland zum 40. Mal die so genannte Spiegel-Affäre, die größte Blamage der jungen Bundesrepublik. Kaum vorstellbar heute, dass 1962 - vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß wesentlich betrieben - dem unliebsamen Nachrichtenmagazin in Hamburg der Garaus gemacht werden sollte: Man warf dem Spiegel Landesverrat vor, weil er über die "bedingte" Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik berichtet hatte. In einer Nacht- und Nebel-Aktion wurde die Spiegel-Redaktion in Hamburg von der Polizei durchsucht und gesperrt, und die Spitzen des Magazins kamen in Untersuchungshaft, Herausgeber Rudolf Augstein gar 103 Tage lang.

Schließlich fielen alle Vorwürfe in sich zusammen, Strauß musste den Hut nehmen (kam aber bald wieder ...), und der Spiegel, dessen wirtschaftliche Existenz durch die ungerechtfertigten Staatsmaßnahmen gefährdet schien, stieg mit einer saftigen Auflagensteigerung wie ein Phönix aus der Asche.

Die Rückschau auf die Affäre lehrt einiges. Da gab es die Solidarität der Printmedien mit den Spiegel-Leuten: Die Zeit-Mannschaft etwa stellte Redaktionsräume für die ausgesperrten Kollegen zur Verfügung, sogar die - ideologisch weit entfernten - Redaktionen des Springer-Verlags halfen mit, dass der Spiegel trotzdem erscheinen konnte und der Pressefreiheit nachhaltig zum Durchbruch verholfen wurde. Schon diese Erinnerung macht nachdenklich: Ist hierzulande vorstellbar, dass - bei einem solchen staatlichen Angriff auf ein Medium - sich die Journalistenmannschaften von Krone bis Falter gemeinsam auf die Füße stellen würden?

Wichtiger als das pure Überleben des Nachrichtenmagazins war aber die Politisierung der westdeutschen Öffentlichkeit, die in diesen Tagen des Jahres 1962 ungeahnte Ausmaße annahm und jene politische Emanzipation einleitete, die letztendlich zur 68er Bewegung führte.

"Es gibt keinen Grund, die Ereignisse von 1962 oder mich zu bedauern", so Rudolf Augstein letzte Woche im Spiegel: "Wir sind durch die Affäre klüger geworden ... Vielleicht sind auch andere Leute klüger geworden ..."

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