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Machen gewalthaltige Videos Jugendliche brutal? Oder sind reale Kriegsbilder schlimmer? Die Medienpsychologen zeigen sich gespalten.

Immer mehr Mädchen-Gangs treiben auf Deutschlands Straßen ihr Unwesen. Die Täterinnen gehen mitunter brutaler vor als ihre männlichen Kollegen", konstatierte jüngst Der Spiegel. Die Gangs verüben dabei alles, was das Gesetzbuch unter Strafe stellt: Sie überfallen Passanten, klauen, erpressen, gehen schwer bewaffnet auf Raubzug. "Möglicherweise lassen sie sich von Filmheldinnen wie der schießenden Lara Croft animieren", glaubt ein deutscher Sozialarbeiter. "Die nimmt sich, was sie kriegen kann." Ob das Cybergirl deshalb bald auf eine Verkaufsverbotsliste gesetzt wird, darf jedoch bezweifelt werden.

Videos auf dem Index

Der US-Bundesstaat Washington hingegen geht gerade daran, mit einer derartigen Liste den freien Verkauf von gewaltverherrlichenden Spielen an Kinder und Jugendliche zu unterbinden - zum Ärger der Spieleindustrie und unter großem Zweifel mancher Kritiker. Deren Devise: Verbieten war noch nie der Weisheit letzter Schluss. Zudem würden Video- und Computerspiele bei weitem nicht so viele Gewaltszenen liefern, wie Informationssendungen im Fernsehen. Längst, so scheint es, haben die Bilder realer Gewalt jenen in Spielfilmen den Rang abgelaufen - frei nach dem Motto: Nur schlimme Nachrichten sind gute Nachrichten. Was aber müssen Kinder und Jugendliche von einer Welt halten, in der Betrügen, aufeinander Einschlagen, Gesetze brechen oder Lügen probate Mittel sind, im Leben weiter zu kommen? "Mit dieser Welt wollen junge Menschen anscheinend nicht viel zu tun haben", folgert der Saarbrückener Medienpsychologe Peter Winterhoff-Spurk. Verstärkt wird dieser "Ekel vor der Welt" noch durch diverse Talkshows, in denen Menschen ihren Frust oder Ärger oft in untergriffigen Wortgefechten ins Wohnzimmer schleudern dürfen.

Die Fratze des Krieges

Kinder sind neugierig auf Dinge, die sich ihrem unmittelbaren Erfahrungsbereich entziehen, sie wollen in Neues, Fremdes eintauchen - und bleiben oft ratlos zurück. So auch bei jedem Konflikt, jeder kriegerischen Auseinandersetzung, jeder Katastrophe, die das Fernsehen ins Haus liefert. Die oft von besorgten Eltern aufgeworfene Frage, ob derartige Bilder von Kriegsschauplätzen wirklich notwendig sind, um das Grauen zu dokumentieren, lässt sich freilich allein unter der Perspektive "Gewaltdarstellung und ihre Auswirkung auf Kinder und Jugendliche" nicht diskutieren. Ausblenden würde einen Teil der Realität leugnen. Krieg ist nicht schön, Krieg geht nicht ohne Blutvergießen ab - wie die Bilder aus dem Golfkrieg 1991 glauben machen wollten und wie auch so manches Computerspiel oder mancher Film vorgaukeln. Bilderverbote würden die Gewalt in der Welt nicht ausmerzen.

Gespräche über Gewalt

Dies heißt freilich nicht, dass keine Regeln und Normen bei der Berichterstattung einzuhalten wären und auch nicht, dass man Kinder ungeschützt allem aussetzen sollte, was über den Fernsehschirm kommt. Kinder und Jugendliche schützen heißt vielmehr, sie zu begleiten und ihnen Rüstzeug für die verschiedenen (Medien)Begegnungen an die Hand zu geben - sie kompetent zu machen im Umgang mit Medien(bildern). Das wiederum fordert Erwachsene, die gewillt sind, sich selbst auf Bilder einzulassen. "Eltern sollten dazu angeregt werden, sich mit ihren Töchtern und Söhnen gemeinsam Gewaltfilme anzuschauen, um dann über die sprachliche, körperliche, strukturelle und kulturelle Gewalt sowie deren vielfältige Formen zu sprechen", fordert der Münchener Medienpädagoge Jürgen Barthelmes. "Das gemeinsame Sehen und Darüber-Reden ist eine gute Gelegenheit, den eigenen Töchtern und Söhnen ethische Grundregeln zu vermitteln".

Psychischer Bilder-Schutz

Denn: "Die pädagogischen Erfahrungen zeigen, dass sicher gebundene, emotional geborgene Kinder und Jugendliche, versehen mit einem positiven Selbstwertgefühl, allem Anschein nach eine Art psychischen Schutz' gegenüber der Wirkung gewalthaltiger Bilder, Darstellungen und Spielen entwickeln." Eltern, die bereit sind, mit ihren Kindern über Gewalt und ihre Formen zu reden, geben ihren Kindern das beste Rüstzeug mit, sich in der Medienwelt zu behaupten.

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