Staub alter Sünden

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Wim Wenders wagt einen Western - und stellt einen reuigen Cowboy ins Zentrum, der nicht einmal ein Cowboy ist.

Howard Spence galoppiert in die staubige Weite hinaus, rammt die Sporen in die Seiten seines Pferdes, während sich im Hintergrund der Monument Valley erhebt. Da freut das Herz jedes Western-Fans! Aber spätestens, wenn ihm der sperrige Klang einer halbakustischen Gitarre den Weg verstellt, merkt er, dass hier etwas nicht stimmt.

Howard Spence ist nämlich gar kein Cowboy, sondern ein Cowboy-Darsteller auf der Flucht vor dem Filmteam. Einst ein strahlender Stern am Himmel Hollywoods, ist er nun ein versoffener, alternder Schauspieler, der sich die Leere im Kopf mit Mädchen und Kokain vertreibt. Endlich findet er einen Anhaltspunkt für sein besinnungsloses Leben: Eine gewisse Doreen soll vor Jahrzehnten nach ihm gesucht haben, denn der Schauspieler hatte sie geschwängert. Hoffend auf Geborgenheit, vielleicht sogar auf Familienglück, macht er sich auf die Suche ...

Regisseur Wim Wenders nimmt den als Filmgenre schon toten Western auf, zerteilt ihn in seine Einzelteile und klebt diese mit der Liebe eines treuen Verehrers neu zusammen. Die neuen Proportionen wirken ungewohnt: die Musik ist langsamer und trauriger; ein aus dem Fenster geschmissenes Sofa wird zum Nabel der Welt, wo Vater, Tochter und Sohn zueinander finden; die imposante Landschaft ist nicht mehr bloß Bühne, sondern wird zum vergeistigten Überwesen.

Voll Erwartung beginnt der Zuschauer dem Geschehen zu folgen. Mehr und mehr tritt aber Sarah Polley in den Vordergrund und verscheucht all die unangestrengten Gefühle, die sich sonst aus Sam Sheppards Mimik, Jessica Langes Schauspiel (als Doreen) und Eva Maria Saints Strahlkraft (als Mutter Spence) von selbst entwickelt hätten. Die junge Polley, die in die Rolle der Urnen-Trägerin Sky schlüpft, spielt ihren Part nämlich mit so abgeschmackter Sentimentalität, dass man meinen müsste, im Hintergrund wiedergeborene Prediger skandieren zu hören: "Trink nicht, heirate und bring deinem Sohn Gehorsam bei!"

Wim Wenders-Fans werden sich davon gleichwohl nicht beirren lassen. Oder sie boykottieren Kino und dvd und kaufen stattdessen den exzellenten Soundtrack von T-Bone Burnett ("O Brother, Where Art Thou?") und den opulenten Bildband zum Film.

DON'T COME KNOCKING

USA/D 2005. Regie: Wim Wenders.

Mit Sam Sheppard, Jessica Lange, Sarah Polley. Verleih: UIP. 122 Min.

DON'T COME KNOCKING

Fotografien von Donata und Wim Wenders. Schwarzkopff Buchwerke, Berlin 2005. 386 Seiten, geb., e 35,-

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