Suicide is Painless ...

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... nur der Selbstmord ist schmerzlos: Zum Tod von Robert Altman (1925-2006).

Wenn Hollywood einen der wirklich Großen übersieht, dann hat es ja noch den Ehren-Oscar fürs Lebenswerk in petto, außer Konkurrenz sozusagen, weil man alte Fehler - also das Verweigern der begehrten Trophäen in vergangenen Jahren - ja nicht wieder gutmachen kann. Robert Altman heimste diesen Ehren-Oscar im März 2006 mit 81 gerade noch rechtzeitig ein: Der alte Fuchs offenbarte bei dieser Gelegenheit, dass er schon 10 Jahre mit einem transplantierten Herzen lebe, das aber aus Angst, man würde ihm keine Filme mehr machen lassen, verheimlicht habe. Und es war ebenfalls erst Anfang 2006, als Altman sein Debüt als Theaterregisseur in London gab (bei Arthur Millers Resurrection Blues), ein ziemliches Desaster mit Maximilian Schell in einer Hauptrolle. Auch solche Konfusion klingt nach Altman, der nach den Verrissen erklärte, er wäre mit dem Stück nicht warm geworden und hätte es eigentlich nicht wirklich verstanden.

So wenig oder: Viel zu spät

Kaum ein Hollywood-Regisseur spaltete die Kritik so wie Robert Altmann - und wurde in seiner Genialität so wenig (oder viel zu spät) verstanden. Auch seinem jüngsten Opus - A Prairie Home Companion - das hierzulande nun erst postum in die Kinos kommt, war in den USA gleichermaßen Zustimmung wie Ablehnung beschieden, das übliche Altman-Filmschicksal eben ...

Am 20. November ist Robert Altman in Los Angeles verstorben - und hinterlässt ein filmisches Jahrhundert-Erbe, obwohl er gar nicht so viele Filme gedreht hat wie vergleichbare Kollegen.

1970, am Höhepunkt der (Anti-)Vietnamkriegs-Zeit wurde Altman, schon 45, mit dem bitterbösen Koreakriegs-Film M.A.S.H. schlagartig berühmt - Sohn Mike, von dem der Titelsong "Suicide is Painless" stammte, war damals gerade 14. (Der ORF tat sich einmal mehr besonders hervor, als er in der Nacht von Freitag auf Samstag "in memoriam Robert Altman" mit diesem Meisterwerk nach ein Uhr nachts on air ging).

M.A.S.H. Beißende Satire auf den American Way of Life, politisch wie gesellschaftlich - das Markenzeichen Altmans: scheinbar unzählige Geschichten, wie sie das Leben schreibt, in einen einzigen Film hineinverwoben. Köstlich und das Lachen im Halse stecken lassend Donald Sutherland und Elliot Gould, wie sie als begnadet-blöde Feldchirurgen kurzzeitig von Korea nach Japan verlegt werden, um das Söhnchen eines Kongressabegordneten zusammenzuflicken, und dabei ungern ihr Golfspiel unterbrechen ...

1975 gelingt Altman mit Nashville der nächste Coup, als er - am Vorabend der 200-Jahrfeier der USA - 24 Hauptfiguren-Storys (un)verbunden nebeneinander stellt, quasi-dokumentarisch um den Präsidenten-Wahlkampf, bei dem der Song "We must be something doing right / To last 200 Years (Wir müssen doch etwas richtig gemacht haben, dass es uns schon 200 Jahre gibt)" alles sagt, was zu sagen ist.

Schuhe vs. Handschuhe

Oder 1992 The Player, Altmans Abrechnung mit Hollywood (des Meisters trockener Kommentar zum Thema Hollywood und Altman: "Wir sind nicht gegeneinander. Sie verkaufen Schuhe, und ich mache Handschuhe."), wieder kein Oscar, wieder zu Unrecht. Ein Film, der überdies mit einer schnittlosen Eingangssequenz beginnt, wiederum eine Unzahl von Geschichten - verloren und zerstört im Filmbusiness - mit einer einzigen Kamerafahrt einfangend und das gute alte Film-Europa hereinholend, als sich Bösewicht Tim Robbins in einem Vorstadtkino wiederfindet, das gerade Vittorio de Sicas Neorealismo-Klassiker Fahrraddiebe spielt. Und ein Jahr später, 1993, mit Short Cuts, die ultimative Verwebung von neun Geschichten zu einem Film der den American Way of Life böse wie nie entlarvt.

Noch ein paar Mal hat Altman auf seiner Regie-Klaviatur verkannt, aber meisterlich gespielt, sei es in Pr\0xEAt-à-Porter (1994), in dem er die Hautecouture-Welt genial zeichnet (kongenial: Humphrey-Bogart-Witwe Lauren Bacall), oder 2001 in Gosford Park, als er Agatha Christie ätzend und hundertmal besser als die Krimi-Dame es je vermocht hätte, zum Leben erweckte. Man wird diese Filme wieder und wieder sehen müssen, und jedesmal wird einem ein weiterer Knopf aufgehen ...

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