Tod durch Seifenwasser

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Imelda Staunton brilliert in Mike Leighs Drama "Vera Drake" als fürsorgliche "Engelmacherin".

Mike Leighs Blick für die sozialen Verhältnisse bestimmt auch den Anfang seiner jüngsten Arbeit "Vera Drake". Die titelgebende Heldin lebt mit ihrem Ehemann Frank und ihren erwachsenen Kindern Sid und Ethel im London der 50er Jahre. Bei den Reichen verdingt sie sich als Putzfrau und bekommt nur deren Ignoranz zu spüren. Vera Drake ist eine Frau, die sich nicht nur aufopfernd um ihre Familie kümmert, sondern auch anderen Menschen hilft. Reg, den einsamen Nachbar, lädt sie etwa zum Essen ein und flickt seine Hose, hofft sie doch, in ihm den passenden Ehemann für ihre introvertierte Tochter Ethel zu finden. Doch Vera Drake "hilft" noch auf ganz andere Weise: Sie besucht ungewollt schwangere Frauen und führt mit Seifenwasser einen Abbruch durch. Doch keiner in der Familie weiß davon.

Als Leighs Drama bei den vergangenen Filmfestspielen in Venedig den Preis für den besten Film einheimste, waren nicht alle Filmkritiker zufrieden: Zu abgestanden sei das europäische Erzählkino schon. Zugegebenermaßen kann einem die Betulichkeit der ersten Filmhälfte mitunter auch nerven. Doch das Porträt dieser harmonischen Familienbande sollte nicht darüber hinwegtäuschen, mit welcher Präzision der britische Regisseur die Beziehungen zwischen den Personen beschreibt. Zu wahrer Größe schwingt sich der Film jedoch auf, als Vera Drakes illegale Tätigkeiten ruchbar werden. Durch eine misslungene Abtreibung wird die Polizei eingeschaltet. Aus dieser Fokussierung gewinnt der Film eine emotionale Wucht, die nach dem beschaulichen Anfang nicht vorhersehbar war. Imelda Staunton hat maßgeblichen Anteil daran: Die Kamera lagert während der Verhöre immer wieder in Großaufnahmen auf ihrem Gesicht und macht das ganze Dilemma dieser Frau sichtbar, die einfach nur "helfen" wollte. Keine Preisverleihung - inklusive Oscarnominierung - kam an dieser berührenden Darstellung vorbei.

VERA DRAKE

GB/F/NZ 2004. Regie: Mike Leigh.

Mit Imelda Staunton, Phil Davis,

Alex Kelly, Jim Broadbent. Verleih:

Concorde. 124 Min.

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