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Überraschung auf der 55. Berlinale: Goldener Bär für südafrikanische Carmen-Verfilmung, Deutschlands Ehre rettet M. Rothemunds Sophie Scholl-Film.

Die deutsche Presse war richtig böse. Denn der Film, den sich die deutschen Kollegen (und nur diese) als Preisträger gewünscht hatten, ging bei der Berlinale völlig leer aus. Christian Petzolds unendlich langweilige Geschichte über zwei junge Mädchen, die außer doof dreinschauen nicht viel können. Der Film trägt den Titel "Gespenster" und ließe sich unterschiedlich lesen: Entweder versucht hier ein Regisseur mit aller Gewalt, einen Film über deutsche Befindlichkeit und Identität zu machen, ohne dabei auf Geschichte, Kultur und Gesellschaft einzugehen, indem er einfach einem burschikosen Mädchen (Julia Hummer) beim Atmen zusieht. Oder Petzold legte es darauf an, zu zeigen, wie arm und elend dieses Deutschland ist. Arm an Geld, arm an Liebe sowieso. Irgendwie, so wurde man den Eindruck nicht los, suhlte sich die deutsche Filmkritik in dieser Form der filmischen Selbstbemitleidung. Petzolds Depressionskino entspricht offenbar genau den Vorstellungen vom neuen deutschen Autorenfilm.

U-Carmen eKhayelitsha

Stattdessen entschied sich die Jury der Berlinale - mit dem auf Hollywood-Kracher spezialisierten deutschen Regieexport Roland Emmerich als Präsidenten - für eine ganz andere Richtung: Der Goldene Bär ging erstmals an einen afrikanischen Film: "U-Carmen eKhayelitsha" ist die Verfilmung der berühmten Bizet-Oper - allerdings spielt die Handlung in einem südafrikanischen Township, und gesungen wird ausschließlich in der Landessprache Xhosa. Ein Außenseiter gewinnt den Hauptpreis, und mit ihm gewinnen wir die Erkenntnis, dass Roland Emmerich auch klassische Opernwerke liebt, obwohl er doch eher als Hollywoods Spektakel-Meister Nummer eins gilt. Schließlich ließ er kürzlich in "Day After Tomorrow" die Welt bombastisch untergehen. Da sage noch einer, der Mann hätte keine Kultur.

Schwaches Programm

Dann sorgten Emmerich und seine illustre Jury (vor allem die stets knapp bekleidete chinesische Schauspielerin Bai-Ling zierte mangels großer Stars die Titelseiten) doch noch für einen deutschen Triumph bei der Berlinale: Für Marc Rothemunds Film "Sophie Scholl - Die letzten Tage" über die ns-Widerstandskämpferin mit der herausragenden Julia Jentsch in der Titelrolle gab's den Silbernen Regie-Bären, für Julia Jentsch den Darstellerpreis (Kritik und Interview mit dem Regisseur auf Seite 9 dieser Furche). Selbst dieser Film ist letztlich ein Zeichen für die deutsche Befindlichkeit: Die eigene Vergangenheit lässt auch 60 Jahre nach Kriegsende in diesem Land niemanden kalt. Hitlers Regime ist überall - in den Kinos am Potsdamer Platz ebenso wie in Form demonstrierender npd-Kahlköpfe vor dem Brandenburger Tor gleich daneben.

Was die restlichen Filme betrifft, so war die Berlinale heuer von einem schwachen Wettbewerbsprogramm geprägt: Herausragend waren nur wenige Filme, darunter "Paradise Now" (Preis für den besten europäischen Film) von Hany Abu-Assad über die letzten Stunden im Leben zweier palästinensischer Selbstmordattentäter, oder "Sometimes in April" von Raoul Peck, eine überaus packende Schilderung des Völkermordes in Ruanda 1994. Der chinesische Kameramann Gu Chang wei inszenierte in seinem Regiedebüt "Peacock" das Leben einer chinesischen Arbeiterfamilie nach dem Ende der Kulturrevolution in den 70er Jahren und bekam dafür den Großen Preis der Jury.

Andere mäßige Talentproben blieben preislos: Darunter André Téchinés "Les temps qui changent" mit Cathérine Deneuve und Gérard Depardieu, "In Good Company" von Paul Weitz mit Dennis Quaid und der schrecklich unlustige neue Film von Wes Anderson, "Die Tiefseetaucher" mit Bill Murray. Immerhin: All diese Filme brachten mehr oder weniger große Stars nach Berlin. Etwas, was ein A-Festival bitter benötigt, wenn es gegen Cannes bestehen will.

Konkurrenz Oscar

Doch das substanzielle Problem der Berlinale ist die Vorverlegung der Oscar-Verleihung um einen Monat auf Anfang März. Dadurch sind die wichtigsten Nominierungen bereits vor Festivalstart bekannt und die Berlinale für Hollywoods Marketing-Strategen völlig uninteressant. Das Resultat: Die sonst so zahlreich über den roten Teppich hüpfenden Superstars aus usa lassen sich immer seltener blicken. Mit Liam Neeson, Kevin Spacey und Will Smith kratzte man heuer gerade noch die Kurve. Für 2006 überlegt man daher eine Vorverlegung der Berlinale auf Jänner.

Infos und Preise: www.berlinale.de

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