Überraschungssieg am Lido

Werbung
Werbung
Werbung

Der Goldene Löwe geht an den chinesischen Regisseur Jai Zhang-Ke.

Das Filmfestival Venedig bekommt indes Konkurrenz aus Rom.

Überraschung am Lido: Regisseur Jia Zhang-Ke kam mit seiner Doku "Dong" nach Venedig, die hier in der Nebensektion "Orizzonti" gezeigt wurde. Doch das Künstlerporträt inspirierte den Filmemacher zu seinem Spielfilm "Still Life", das in der chinesischen Stadt Fengjie spielt. Die Stadt musste dem umstrittenen Dreischluchten-Stausee weichen, und das bietet Jia Zhang-Ke den idealen Ausgangspunkt für "Still Life": Ein Mann und eine Frau kehren nach Fengjie zurück, um dort ihre Partner zu suchen.

"Still Life" war ursprünglich gar nicht für Venedig gedacht, sondern wurde in letzter Minute als "Überraschungsfilm" in den Wettbewerb geholt. Und dann wurde der Film auch zum Überraschungssieger: Die Jury unter dem Vorsitz der französischen Filmdiva Cathérine Deneuve überreichte Zhang-Ke den Goldenen Löwen. Ein politisches Statement, denn "Still Life" soll nur in einer zensierten Fassung in chinesische Kinos kommen.

"Still Life" stellt den Bau des Mega-Staudamms ins Zentrum, für den insgesamt 1,3 Millionen Menschen zwangsumgesiedelt werden mussten. Jia Zhang-Ke erzählt von einfachen Landmenschen, also von den Opfern der großen Politik. Dutzende Dörfer wurden geflutet und verschwanden von der Landkarte.

Die Jury hat sich mit der Prämierung von "Still Life" dem Konzept von Venedig-Festivalleiter Marco Müller widersetzt. Dieser hatte für das heurige, 63. Festival eine Unzahl amerikanischer Produktionen an den Lido geholt, wohl wissend, dass im Oktober das erste Filmfest in Rom (Budget: 10 Millionen Euro) stattfinden wird. Mit Nicole Kidman und Woody Allen hat man sich dort schon große Namen eingekauft, das Riesenereignis soll dem Vernehmen nach von Berlusconis Medienimperium unterstützt werden. Konkurrenz im eigenen Land, die Müller zum Handeln zwang. Die ausgesuchte US-Ware geht aber durchaus als "gehobener Mainstream" durch. "Bobby" (Regie: Emilio Estevez), ein Drama rund um die Ermordung von Robert F. Kennedy, begeisterte durch seine tolle Besetzung (Sharon Stone, Anthony Hopkins, Lindsay Lohan, Demi Moore, uva.), blieb aber ohne Preis. Brian de Palmas "Black Dahlia" mit Scarlett Johansson enttäuschte dafür bitter. Einzig "Hollywoodland" gefiel der Jury: Ben Affleck (ausgezeichnet als bester Darsteller) spielt den Superman-Darsteller George Reeves, der in den 50er Jahren auf mysteriöse, nie geklärte Weise starb. Affleck verdient den Preis, da er in seinen bisherigen Filmen kaum beweisen konnte, dass er die Berufsbezeichnung "Schauspieler" verdient.

Ganz oben auf dem Podest stand die Britin Helen Mirren, die als Queen Elizabeth II. von England in Stephen Frears "The Queen" die Performance ihres Lebens abgibt. Ein überaus heiterer, aber ernst gemeinter Blick ins Wohnzimmer der Royals, die sich mit dem Tod von Prinzessin Diana im Jahr 1997 konfrontiert sehen. Der Film hätte auch den Regiepreis verdient.

Doch dieser ging an Frankreichs Altmeister Alain Resnais, dessen Film "Private Fears in Public Places" die Beziehungen unterschiedlichster Protagonisten miteinander verquickt. Dialoglastiges, theatralisch inszeniertes Autoren-Kino.

Mutig ist die Entscheidung der Jury, mit "Darrat" (Regie: Mahamat-Saleh Harun) erstmals einen afrikanischen Film auszuzeichnen. Ein kleines Drama um einen jungen Mann, der seinen Vater rächen will. Ohne große Worte, und doch mächtig in seiner Wirkung.

Barbara Alberts Wettbewerbsbeitrag "Fallen" ging indes leer aus, nach dem der Film schon bei den Kritikern durchgefallen war.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung