Unendliche Geschichte

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2005 vollendet in Österreich auch das Fernsehen sein halbes Jahrhundert. Ein Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Seite 9). - TV-Altvorderer Teddy Podgorski über alte Zeiten und eine wenig rosige Zukunft (Seite 10). - Roland Machatschke: Von der Information zum Infotainment (Seite 11). - Alte Fernsehtechnik, neue Entwicklungen (Seite 12). Redaktionelle Gestaltung: Otto Friedrich 50 Jahre TV in Österreich wären ein guter Grund, für ein öffentlich-rechtliches Fernsehen, das diesen Namen verdient, auf die Barrikaden zu steigen. Die Argumente dafür liegen seit Jahr und Tag auf dem Tisch.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, so der Salzburger Kommunikationswissenschafter Michael Schmolke: "Er ist eine eigentümliche Schöpfung des europäischen Geistes." Schmolke verweist auf die bbc, die seit 1927 als "Einrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge" gelte. Man könne etwa auch die Oper (ebenfalls "groß, anspruchsvoll, kulturbeflissen, ökonomisch schwer zu rechtfertigen und abschaffungsbedroht") abschaffen. "Ließe sich so womöglich auch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfahren?" fragt Schmolke und konstatiert: "Seine Krise signalisiert uns eine Krise des europäischen Geistes." - Solche Rundfunk-Sorge war bereits 1995 in der Furche zu lesen, als die orf-Ära Gerhard Zeiler erste scharfe Konturen zeigte - und die Debatte um den Begriff "öffentlich-rechtlich" in Österreich den ersten Höhepunkt erreichte. Thema und Argumente haben sich nicht erschöpft.

Sechs Jahre später - die schwarz-blaue Koalitionsregierung bastelte gerade am neuen orf-Gesetz - begründeten Angehörige des Wiener Publizistik-Institutes die "Initiative Öffentlicher Rundfunk", um mit ähnlichen Argumenten für den öffentlich-rechtlichen Funk einzutreten. Publizistikprofessor Fritz Hausjell, einer der Initiatoren, schrieb im Juni 2001 in der Furche, der öffentliche Rundfunk gehöre eigentlich den Bürgern: "Würde er beschränkt oder abgeschafft, würden Bürger beschnitten und enteignet." Außerdem müsse kommuniziert werden, dass "öffentliches tv und Radio sich als genuine Kulturleistungen begreifen, die sich der gesamten Gesellschaft und nicht einzelnen Gewinninteressen verpflichtet fühlen". Hausjell & Co formulierten Forderungen an die Politik und die Zivilgesellschaft, um die "Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" zu retten.

Die Politik bescherte dem Land 2001 indes das derzeitige orf-Gesetz. Dessen gesetzliche Bestimmungen aber, so orf-Redakteur Klaus Unterberger, gefährden den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Unterberger, Sendungsmacher beim Bürger-Programm Volksanwalt, hat vor gut einem Jahr gemeinsam mit der früheren Club 2- und orf-Kultur-Redakteurin Eva Marginter die Initiative "FreiRaum" gegründet, um dem Einsatz für öffentlich-rechtliches Fernsehen wieder eine Plattform und mehr Öffentlichkeit zu verleihen.

Die Grundsatzposition des "FreiRaum" deckt sich mit den Anliegen der zitierten Publizisten, die schon seit Jahren auf dem Tisch liegen: "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk produziert mit seinen Programmen und Dienstleistungen einen öffentlichen Wert für die Gesellschaft", heißt es da etwa. Im Unterschied zu den Aktivitäten vergangener Jahre versteht sich "FreiRaum" aber als bewusste Initiative aus dem orf-Umfeld heraus.

Im Gegensatz zur kolportierten Stimmungslage innerhalb des orf ortet Klaus Unterberger ein Aufbruchsgefühl und neues Bewusstsein, für den öffentlich-rechtlichen orf zu kämpfen. "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk erhebt einen inhaltlichen Anspruch in Qualität und Form seiner Produkte. Diese Produktqualität ist eine Bringschuld des Unternehmens", heißt es im "FreiRaum"-Grundsatzpapier. Qualität kostet aber Geld - der orf ist, so Unterberger, diesbezüglich existenziell gefährdet; gleichzeitig sei der Parteieneinfluss viel zu groß.

Die Argumente gleichen einander seit Jahren, dennoch kann eine neue Initiative, zumal aus den Reihen der orf-Journalisten selbst, die viel zu schwache Öffentlich-rechtlich-Lobby nur stärken. Auch wenn etwa ein Altvorderer wie Teddy Podgorski (vgl. Seite 10) von der Medienpolitik kaum etwas erwartet, ist Klaus Unterberger überzeugt: Die Zeit ist reif, dass sich etwas bewegt; er verweist darauf, dass die Diskussion europaweit in Gang kommt, etwa bei der bbc, oder in Berlusconi-Italien, wo das letzte Stündlein fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen schlägt.

"FreiRaum" hat Medienleute und Opinionleader zum Buchprojekt "auf.bruch" eingeladen: Darin werden Meinungen zu Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk-Zukunft gesammelt werden. Anfang 2006 soll das Buch fertig sein.

Buchtipps

Die Fernsehchronik

Eine reich bebilderte, informative TV-Geschichte hat der Medienjournalist (und orf-Veteran) Kurt Tozzer gemeinsam mit dem Leiter der orf-Fotoredaktion Martin Majnaric zusammengestellt. In fünf, jeweils zehn Jahre abdeckenden Kapiteln werden text- und bildmäßig alle Highlights der orf-Geschichte vorgestellt - von Heinz Conrads bis Hans-Joachim Kulenkampff, von Hugo Portisch bis Arabella Kiesbauer.

ACHTUNG SENDUNG. Höhepunkte, Stars und exklusive Bilder aus 50 Jahren Fernsehen. Von Kurt Tozzer, Martina Majnaric. Verlag Ueberreuter, Wien 2005, 240 S., zahlr. Abb., geb., e 30,80

Das Insider-Wissen

Von der "Großen Illusion" spricht Teddy Podgorski schon im Titel seiner TV-Erinnerungen. Wer mehr als im Podgorski-Interview auf Seite 10 erfahren will - vor allem (Polit-)Hintergründe und Anekdoten aus 50 Jahren Fernsehen - muss dieses flott und spannend geschriebene Buch des Insiders zur Hand nehmen. ofri

DIE GROSSE ILLUSION. Erinnerungen an 50 Jahre mit dem Fernsehen. Von Thaddäus Podgorski. Bibliophile Edition, Wien 2005, 208Seiten, geb., e 29,70

1. August 1955 Beginn des Versuchsbetriebs des Österreichischen Fernsehens 15. Oktober 1955 Wiedereröffnung des Burgtheaters live Jänner/Feber 1956 Übertragung der Winterolympiade Cortina (Toni Sailer) 1. Jänner 1957 Erste "Zeit im Bild" 9. März 1957 |erstes "Guten Abend am Samstag" mit Heinz Conrads 1. Jänner 1958 Einführung der Fernsehgebühr (50 Schilling) 1. Jänner 1959 Beginn der TV-Werbung 11. September 1961 Start des 2. Fernsehprogramms 15. November 1961 TV-Skandal durch Qualtingers "Der Herr Karl"

Oktober 1964 Rundfunkvolksbegehren 5. März 1966 Udo Jürgens gewinnt Eurovisions Song Contest 6. März 1966 Gerhard Bruckmanns erste Wahl-Hochrechnung 9. März 1967 Gerd Bacher wird Generalintendant 15. März 1968 Start von "Aktenzeichen XY" 1. Jänner 1969 Neujahrskonzert - erste Farb-TV-Sendung Jänner 1969 erstes Religionsmagazin "Orientierung" 7. Februar 1972|K. Schranz-Rückkehr aus Sapporo ist TV-Ereignis 11. Oktober 1974 Otto Oberhammer Generalintendant Jänner 1975 Beginn: "Ein echter Wiener geht nicht unter"

5. Oktober 1976 Erster "Club 2" 28. September 1978 Bacher wieder Generalintendant 24. Dezember 1978 Erstmals "Licht ins Dunkel" 9. Juli 1980 Beginn des Teletexts Anfang 1981 Erstmals "Wetten, dass" und "Musikantenstadl" 20. Mai 1982 Start von Hugo Portischs "Österreich II" 1. Dezember 1984 Beginn des Satelliten-TV mit dem Start von 3sat 7. Juli 1987 Thaddäus Podgorski Generalintendant 5. Februar 1988 Beginn des Sportkanals Eurosport 2. Mai 1988 Beginn des ORF-Lokalfernsehens 11. Oktober 1990 |Bacher zum 3. Mal Generalintendant

1. September 1990 Stereo-/Zweikanal-Ton im ORF 26. Mai 1992 "Nachbar in Not" 11. Oktober 1994 Gerhard Zeiler Generalintendant 1. März 1995 Letzter "Club 2" März 1995 Erstes Mal "Vera" 1. Dezember 1997 Start von TW1 11. Oktober 1998 Gerhard Weis Generalintendant 5. Juli 2001 Neues ORF-Gesetz 1. Jänner 2002 Monika Lindner Generaldirektorin 1. Juni 2003 Start des ersten terrestrischen Privatsenders ATVplus April 2004 Beginn des terrestrischen digitalen TV (Graz) Herbst 2004 Erstmals gehen Fußball-TV-Rechte ans Privatfernsehen

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