Unter Koffein-Junkies

Werbung
Werbung
Werbung

17 Jahre ließ sich Jim Jarmusch Zeit, um den Episodenstreifen "Coffee and Cigarettes" fertig zu stellen. Grotesker Humor vom Feinsten und ein grandioses Panoptikum von Film à la Jarmusch.

Zehn Jahre ist es her, seit Wayne Wang und Paul Auster mit ihrem Kultfilm "Blue in the Face", einem Spinoff des gleichfalls Kultstatus genießenden New Yorker Trafik-Tableaus "Smoke", ihr Publikum begeisterten. Unter den Promis, die sich da in Harvey Keitels Trafik umtaten, war auch Jim Jarmusch.

Damals, 1994, hatte Jarmusch seinerseits schon einen Teil seines Films "Coffee and Cigarettes" im Kasten - und ahnte wohl kaum, dass er noch weitere neun Jahre brauchen würde. Das Konzept des Jarmusch-Opus fußt - wie bei "Blue in the Face" - auf dem Auftreten von (Underground)-Promis, auf Improvisation (aber nicht nur) sowie auf amerikanischem Lebensgefühl ganz eigener Art. Die Klammer der elf Episoden bilden der Ort (Coffeeshops) und eben Zigaretten, wobei letztere dem Ganzen ambivalenten Charakter verleihen: 1986, als Jim Jarmusch den Film begann, war das Rauchen in US-Cafés kaum ein Problem, keine 20 Jahre später hat der Gesundheitsrigorismus Amerikas dem Kultursymbol Zigarette längst den Garaus gemacht, was in späteren Episoden des Films auch bizarr thematisiert wird.

1986 drehte Jarmusch also - am Rand von "Down by Law" - eine erste Szene mit Roberto Benigni und Comedy-Star Steven Wright: Benigni sitzt da, trinkt Espresso aus mehreren Tassen und raucht einen Tschick nach dem anderen; der minimalistisch-absurde Dialog mit ebensolcher Kameraeinstellung entpuppt sich als Stilvorlage für die nachfolgenden grotesken Miniaturen, die bis 1994 und dann wieder ab 2001 entstanden sind: Steve Buscemi parliert mit den Spike-Lee-Geschwistern Joie und Cinqué über einen angeblichen Zwillingsbruder von Elvis Presley, Hardrocker Iggy Pop treibt es - filmisch - mit Tom Waits, und Alfred Molina betätigt sich köstlich als Ahnenforscher für den darob gar nicht begeisterten Steve Coogan. Exzeptionell auch die Episode, in dem die beiden Rapper GZA and RZA einen ergrauten Bill Murray als Koffein-Junkie brandmarken, bevor sie sich selbst auf einen Joint zurückziehen.

Man merkt Jarmuschs Miniatursammlung gleichzeitig an und nicht an, dass sie bis zu 17 Jahre am Buckel hat: Gerade die lange Entstehungszeit macht "Coffee and Cigarettes" aber zu einem grandiosen Panoptikum von Film à la Jarmusch samt dessen brilliant absurdem Humor: In einer Episode nervt Rockgitarrist Jack White seine Ex-Ehefrau, die Rock-Drummerin Meg White, mit einem Tesla-Transformator; diese Szene überblickt Jim Jarmusch höchstpersönlich - als großformatiges Bild, das wie das Konterfei eines Familienpatriarchen an der Wand des Coffeeshops hängt.

COFFEE AND CIGARETTES (OmU)

USA 2003. Regie: Jim Jarmusch. Mit Roberto Benigni, Steven Wright, Steve Buscemi, Iggy Popp, Tom Waits, Cate Blanchett, Alfred Molina, Steve Coogan, GZA, RZA, Bill Murray u.a. Verleih: Stadtkino. 96 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung