"Atanarjuat - Die Legende vom schnellen Läufer" lässt eine Inuit-Legende auferstehen.
Archaisch, allgemeingültig, ewig ist die extreme Landschaft, in der "Atanarjuat - die Legende vom schnellen Läufer" erzählt wird. Das undurchdringliche, blendende Schneeweiß der kanadischen Arktis ist die dominierende Farbe dieses Films, der einen tausend Jahre alten Inuit-Mythos heraufbeschwört. Regisseur Zacharias Kunuk ist selbst in der arktischen Tundra geboren. Als er ein Kind war, wurde ihm die Legende erzählt.
Der böse Fluch eines Schamanen lastet auf einem Nomadenstamm. Das Überleben in der Arktis erfordert viel Wissen, behutsamsten Umgang mit allen Ressourcen: Jagen, Teilen der Beute, Essen, Kochen, Feiern, Heirat, Geburt, Sterben sind genauen Regeln und Riten unterworfen. Werden sie gebrochen, gerät das labile Gleichgewicht dieser aufeinander angewiesenen Stammesgemeinschaft ins lebensbedrohliche Wanken. Mit wachsamen, weisen Augen verfolgen die Alten die Entwicklung der Jungen. Langsam, kaum merklich infiltriert der Fluch des Bösen die Gemeinschaft. Jede Veränderung wird genau registriert, Gegenmittel kennen die Inuit keines. "Warum ist Oki so böse?", fragt ein Mädchen, als dieser auf seine Hunde einschlägt. Oki rast vor Hass und Eifersucht, weil sich Atanarjuat, der schnelle Läufer, in seine Verlobte Atuat verliebt. In einem harmlosen Fangenspiel zeigt sich zart aufkeimende Zuneigung, als sich Atuat von Atanarjuat erhaschen lässt. Sie liebt ihn und fürchtet den unheimlich aufbrausenden Oki, dem sie versprochen ist.
Die knappe Sprache, die sorgsame Beobachtung und Bedeutsamkeit kleiner Gesten, Blicke und Bewegungen geben diesem Film seine Kraft. Vom Bauen eines Iglus über den Umgang mit den Hunden bis hin zu Kleidung, archaischen Messern aus Knochen und dem gemeinsamen Schlafen in einem Zelt wird das Leben der Inuit vor tausend Jahren authentisch rekonstruiert. Hier ist nichts unwesentlich, nichts verschwendet.
Atuat folgt ihrer Liebe. Sie heiratet Atanarjuat, doch Okis Wunsch nach Rache und Mord lodert weiter. Als Atuat schwanger ist, geht Atanarjuat alleine auf die Jagd. Oki gibt im die verschlagene Puja mit, die ihn nach allen Regeln der Kunst verführt. Lüge und Gewalt graben tiefe Furchen ins Leben der Inuit, Puja entzweit, sät Zwietracht und Intrige. Ehebruch, Mord und Lüge bringen Verzweiflung und Gewalt in den Stamm. Doch Atanarjuat, der schnelle Läufer überlebt wie durch ein Wunder. Er und die weise Alte können den Bann des Bösen brechen. Tief bewegt und nachdenklich verlässt man diesen Film. Diese Legende beeindruckt auch noch nach tausend Jahren.
ATANARJUAT - Die Legende vom schnellen Läufer
Kanada 2002. Regie: Zacharias Kunuk. Mit Natar Ungalaaq, Madeline Ivalu, Peter-Henry Arnatsiaq. Verleih: Polyfilm. 161 Min.