Verschleppte Geschichte

Werbung
Werbung
Werbung

Die pakistanische Regisseurin Sabiha Sumar greift in "Stille Wasser" eine tragische Episode ihres Landes auf - und schafft am Ende nur einen Thesenfilm.

Charkhi, ein Dorf im pakistanischen Punjab, ist der Handlungsort von "Stille Wasser": Die Witwe Ayesha lebt dort mit ihrem 18-jährigen Sohn Saleem, dem sie ihre ganze Zeit und Liebe schenkt. Saleem, der noch kein Lebensziel vor Augen hat, denkt an nichts anderes als an seine geliebte Zubeida. Alle sind glücklich, auch wenn sie in bescheidenen Verhältnissen leben. Doch der Putsch durch General Zia ul Haq und die damit einsetzende Islamisierung im ganzen Land bringt die Dinge aus dem Lot. Saleem schließt sich den Glaubensfanatikern an und entfernt sich immer mehr von den Menschen, die ihn lieben. Für Ayesha jedoch wird die Situation immer gefährlicher, schon lange trägt sie ein Geheimnis mit sich herum.

Es ist schon ein Verdienst von "Stille Wasser", dass zum ersten Mal in der Geschichte Pakistans eine Frau Regie führte. Sabiha Sumar bringt uns mit ihrem Film eine tragische Episode des Landes näher: Während der Teilung von Indien und Pakistan 1947 kam es im Punjab zu gegenseitigen Gewaltexzessen zwischen Sikhs und Moslems, die vorher friedlich nebeneinander lebten. Die Frauen wurden von der Gegenseite verschleppt oder von den eigenen Vätern oder Brüdern aus Gründen der Familienehre zum Selbstmord gezwungen. Ayesha ist eine solche Sikh, die verschleppt wurde. Das Problem von "Stille Wasser" ist, dass es ein Thesenfilm geworden ist: Hier ist in jedem Moment spürbar, dass die Zuschauer eine Lektion in pakistanischer Geschichte erhalten sollen. Der aufklärerische Duktus bestimmt den Rhythmus des Films und ordnet die fiktive Handlung den historischen Ereignissen unter. Die Figuren sind daher bloß Mittel zum Zweck, Anschauungsmaterial für 100 Minuten Geschichtsunterricht. Die einzelnen Szenen können sich kaum entwickeln, allein die Hochzeitsepisode gönnt sich erzählerische Freiheit abseits des höheren Zwecks. Trotz überzeugender Darsteller, schöner Kameraführung und redlicher Anliegen ist "Stille Wasser" als Spielfilm letztendlich gescheitert: Sumar hat beim Drehen zu viel mit dem Kopf und zu wenig mit dem Herzen gedacht.

STILLE WASSER

Kamosh Pani

PA/F/D 2003. Regie: Sabiha Sumar.

Mit Kirron Kher, Aamir Malik, Arshad Mahmud. Verleih: Filmladen. 99 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung