Viel zu wenig bekannt

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Seit 40 Jahren bemüht sich der Österreichische Presserat, Medienethik bewusst zu machen.

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Seit 40 Jahren bemüht sich der Österreichische Presserat, Medienethik bewusst zu machen.

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Ins Leben gerufen wurde er 1961, als sich Vertreter der Zeitungsherausgeber und der Journalisten verpflichteten, sich "freiwillig einer Selbstkontrolle der österreichischen Presse" zu unterwerfen. Sie wollten damit verhindern, dass Aufpasser von außen und oben eingesetzt würden, um über Sitten und Gebräuche in den Printmedien zu urteilen. Seither bemüht sich der Österreichische Presserat, Verstöße gegen den Ehrenkodex aufzuzeigen. Mit wechselndem Erfolg und sicher nie ohne Schwierigkeiten.

In diesen 40 Jahren wurden schätzungsweise 1.600 Beschwerden an ihn herangetragen. Genaue Daten gibt es nicht, eine wissenschaftliche Aufarbeitung seiner Leistungen brächte sicher interessante Ergebnisse. Die Beschwerden kamen von Betroffenen, die sich zu Unrecht angegriffen fühlten, von Politikern, die im Fadenkreuz bestimmter Medien standen und sich dagegen wehrten, aber auch von Lesern, die an bestimmten Formulierungen Anstoß nahmen. Aber auch der Presserat selbst griff einzelne Fälle von sich aus auf, wenn seine Mitglieder selbst zur Meinung kamen, gegen Entgleisungen einschreiten zu müssen.

Man beschwerte sich gegen pauschale Verurteilungen oder persönliche Diffamierung, wegen Verletzung der Intimsphäre, wegen Verstößen gegen den geforderten Persönlichkeitsschutz gerade bei Jugendlichen. Mangelnde Recherche, fehlende Gegenchecks, Fotos ohne Gesichtsschutz waren die häufigsten Anlässe, die zu Sprüchen des Presserates führten.

Aber mehr konnte er nicht, als zu verkünden, die Berufspflichten der Presse seien verletzt oder grob verletzt, das Ansehen der Presse sei geschädigt oder schwer geschädigt worden. Wenn es zum Spruch kam, sollte dieser auch im kritisierten Organ veröffentlicht werden - so mancher öfter belangte Schreiber schüttete Spott und Hohn über den Presserat aus. Sanktionsmöglichkeiten gibt es nicht.

Boulevardblätter, Nachrichtenmagazine gehörten zu den "Stammkunden", aber auch kaum eine Tageszeitung wurde noch nie vor den Presserat zitiert - oft genug aber fand dieser "keinen Grund zum Einschreiten". Das Gefühl, ungerecht beurteilt worden zu sein, ist eben subjektiv.

Vor 40 Jahren gab es noch gut zwei Dutzend Tageszeitungen und eine Vielzahl an regionalen und lokalen Wochenblättern. Inzwischen hat sich der Medienmarkt total verändert. Nur mehr ein gutes Dutzend an Tageszeitungen ist übrig geblieben, dafür hat sich der Markt der Nischen- und Themenmedien vervielfacht - und dort arbeiten oft Kollegen ohne intensive Ausbildung und weitergehende Schulung. Umso größer ist für sie die Gefahr, die Grundsätze des Ehrenkodex zu verletzen. Seit 1996 gibt es nun einen Ombudsmann als Vermittler zwischen Beschwerdeführer und kritisiertem Organ, der eine Vielzahl von Fällen schon im Vorfeld beilegen kann.

Seit 1997 ist die Zahl der aufgegriffenen Fälle schlagartig zurückgegangen nicht nur wegen der Erledigungen im Vorfeld. Presserats-Vorsitzender Paul Twaroch sieht den Grund auch im neuen Mediengesetz, das sich im Bewusstsein der Journalisten durchsetzt. Aber bleiben nicht trotzdem noch viele Verstöße ungeahndet?

Die Existenz des Presserates, seine Möglichkeiten und Grenzen, sind nur Insidern bekannt. Der "normale" Leser weiß zu wenig von ihm - und kann daher auch nicht agieren, wenn er Entgleisungen in seiner Zeitung feststellt. Obwohl die Klagen über zu wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zum Stehsatz gehören, war es nie wirklich möglich, eine effektive Eigenwerbung aufzuziehen, den Leser über die Aktivitäten des Presserates zu informieren.

Seine Entscheidungen müssen auch für den Außenstehenden nachvollziehbar werden. Sonst versteht der Leser es nicht, wenn etwa der Presserat sich der Beschwerde der jugoslawischen Botschaft über die Kosovo-Berichterstattung der Tageszeitung Die Presse anschließt und feststellt, die Berufspflichten seien verletzt worden - dann aber Wochen später dieses Urteil nur mehr für die Internetversion gelten lässt.

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