Virtuelle Wählerjagd

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Blogs, Internet-Abstimmungen und eine dubiose Online-Bürgerbewegung: Die (Möchtegern-)Parteien ziehen im Internet alle Register.

Die Idee klingt bestechend einfach: Wie wäre es, im Internet – dem Medium der angewandten Basisdemokratie – eine basisdemokratische Partei zu gründen? Wie wäre es, online Parteimitglieder zu rekrutieren und diese Mitglieder online ein „Wahlprogramm“ samt Koalitionspräferenzen abstimmen zu lassen? Wie wäre es also, virtuell – und irgendwann vielleicht sogar real – Politik zu machen? Es ist ein eigenwilliges Experiment, das die Plattform „Partei3“ in Angriff genommen hat. Und angesichts der herrschenden Politikverdrossenheit stehen die Chancen auf eine Kandidatur bei den kommenden Nationalratswahlen gar nicht so schlecht: Knapp 400 Unterstützerinnen und Unterstützer haben sich bereits auf http://partei3.net eingetragen – und sind bereit, die Kandidatur der „Online Bürgerbewegung“ mit einer Unterstützungserklärung am Gemeindeamt (Magistrat) sowie einer Spende von mindestens zehn Euro zu unterstützen.

Glaubt man der Homepage der Bewegung, dann steht der Name „Partei3“ für das Ziel einer Dreierkoalition. Wie genau sie aussehen soll, überlässt man freilich der Community: 56 Prozent votieren derzeit für die Variante „Rot-Grün-Partei3“, 44 Prozent für „Schwarz-Grün-Partei3“. Auch Fritz Dinkhauser ist eine Option: 51 Prozent sehen ihn als unabhängigen – und deshalb koalitionstauglichen – Kandidaten.

Und wie seriös ist „Partei3“ selbst? Tatsächlich ist „Marie“, die vermeintliche Sprecherin der Plattform, trotz mehrfacher Mail-Anfragen nicht erreichbar. Nicht zuletzt kursieren hinsichtlich des Namens der Bewegung Gerüchte: „Ein Poster in meinem Blog hat gemeint, dass ihn das samt der verwendeten Farbe Orange fatal an die Handy-Firma Drei erinnere und dass das womöglich nur ein Werbegag sei“, erzählt Christoph Chorherr, passionierter Blogger und Grüner Gemeinderat in Wien. Schon mehrere Personen hätten versucht, zu „Marie“ Kontakt aufzunehmen – ohne Erfolg. „Doch so funktioniert eine Internetbewegung nicht“, weiß Chorherr. Das Internet könne eben nie Menschen aus Fleisch und Blut ersetzen.

Grüner Plakat-Contest

Chorherr selbst zum Beispiel ist mit ganzem Einsatz dabei. Durchschnittlich zwei Stunden täglich beantwortet er auf http://chorherr.twoday.net Fragen oder kommentiert Kommentare. Seit er gemeinsam mit Österreichs meist gelesenem Blogger, Helge Fahrnberger, die Idee geboren hat, die Internet-Community bei der Gestaltung der Grünen Wahlplakate miteinzubeziehen, hat sich die Zahl seiner Blogeinträge sogar verzehnfacht. „Ich bin total positiv überrascht, wie viele Leute bereit sind, Politik nicht nur zu konsumieren, sondern konstruktive Vorschläge zu machen“, freut sich Chorherr. Dutzende Plakat-Entwürfe seien hereingekommen. Ob und welche Vorschläge man tatsächlich umsetzen will, soll noch diese Woche verraten werden.

„Das läuft eher unter Aktivistenmotivation“, meint der Politologe Peter Filzmaier zur Grünen Wahlplakat-Suche im Internet. „Auch die Grünen betreiben ja längst eine hochprofessionelle politische Kommunikation, über die nicht basisdemokratisch abgestimmt wird.“ Wie überall gehe es auch in diesem Fall darum, einen Diskussionsprozess anzuregen. „Wenn darüber geredet wird, hat man schon gewonnen.“

Ob Grüne oder „Partei3“: Das Internet ist jedenfalls das perfekte Medium für politische Akteure, die finanziell und strukturell benachteiligt sind. „Die Kosten-Nutzen-Relation ist beim Internet einfach günstiger“, erklärt Filzmaier. Unverzichtbar bei der Online-Wählerbindung sei nur Kontinuität – und zwar auch zwischen den Wahlkämpfen: „Wenn man auf einem Blog zwei Mal keine Reaktion erhält, geht keiner mehr hin“, weiß der Politologe.

Auch wenn sich das noch nicht bei allen herumgesprochen hat: Die Wichtigkeit des Internets haben auch die „big player“ SPÖ und ÖVP längst erkannt – und entsprechend reagiert: Die SPÖ etwa mit www.redblogs.at oder www.jungerote.at, das vor allem Jungwähler anlocken soll; und die ÖVP vor allem mit der interaktiven „Austriabox“ ( www.oevp.at/austriabox).

So notwendig der Online-Auftritt auch ist: Mit ihm allein sind keine Wahlen zu gewinnen. „Zentrales Element jedes Wahlkampfes ist eine Medienmixstrategie“, sagt Peter Filzmaier. „Eine reine Online-Partei wie, Partei3‘ wird irgendwann an ihre Grenzen stoßen.“

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