Vom Rauschen der Welt

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ORF-Mittelwellensender "Radio 1476" feiert sein fünfjähriges Bestehen

Den Einzug in das Historische Kalenderblatt der Austria Presse Agentur hat dieser Jahrestag noch nicht geschafft. Dort ist zum 21. März ein Sieg Karl Martells im Jahr 717, die Einführung des Frauenstimmrechts in den USA 1919, ein Attentatsversuch auf Hitler 1943 und 1992 der Beginn des von der PKK initiierten kurdischen Aufstandes verzeichnet. Dass aber 1997 an diesem Tag der Mittelwellensender Radio 1476 seinen Betrieb aufgenommen hat, findet im Buch der Geschichte noch noch keine Erwähnung. Dafür, und das ist für einen Radiosender das Wichtigere, haben sich viele Hörer im Inland und noch mehr im Ausland die Frequenz 1476 kHz markiert, um jeden Tag zwischen 18 Uhr und Mitternacht den ORF-Mittelwellensender hören zu können.

Radio 1476 - ein typisch österreichisches Schicksal: als Provisorium gestartet und fünf Jahre später unterwegs in eine "strahlende Zukunft". So sieht es jedenfalls Rainer Rosenberg, Leiter der Abteilung Spezialprogramme im ORF-Hörfunk, im Rück- und Ausblick auf "seinen" Sender. Vis-a-vis von Rosenberg sitzt bei der Geburtstagsfeier zum fünften Jahrestag Herbert Depner vom Polycollege Stöbergasse in Wien. Gemeinsam haben die beiden 1476 als Schüler- und Volksgruppenradio, als Experimentier- und Ausbildungsfeld konzipiert und in die Tat umgesetzt. Damit hatten, noch bevor es in Österreich ein Privatradiogesetz gab, Studenten, Vertreter von ethnischen Minderheiten und andere Interessierte die Möglichkeit, Radioprogramme zu machen und zu senden.

Bedenken, dass diese Art von Rundfunk-Freiheit missbraucht würde, bewahrheiteten sich in keiner Richtung, zieht Rosenberg Bilanz: "Der ORF kam niemals in den Verdacht von Zensur, die einzelnen Sendungen entsprachen dem Rundfunkgesetz und den ORF-Programmrichtlinien." Der Senderchef zeigt sich zudem begeistert darüber, "wie wenig Organisation" zur Realisierung des Projekts 1476 nötig war. Seine Zuversicht, was die Zukunft des Senders betrifft, begründet Rosenberg mit der anstehenden Digitalisierung des Radios. Damit würden die derzeitigen Unzulänglichkeiten des schlechten Empfangs wegfallen, "Mittelwelle klingt dann wie eine CD". Ein "Bodenschatz" auf dem der ORF da sitze, freut sich Rosenberg, könnte doch dieser hochqualitative Sender mit bis zu 1.000 Kilometern Reichweite über Nacht auch wieder von strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung sein - etwa als viertes österreichweites ORF-Vollradio. Außerdem dürfe nicht vergessen werden, so der ORF-Abteilungsleiter, dass die Mittelwelle ein "sicheres Medium" sei, dass von niemandem abgedreht werden kann.

Konkurrenz Internet

Die Zuversicht Rosenbergs teilt Herbert Depner nicht. Er verweist darauf dass andere Rundfunkanstalten, BBC zum Beispiel, die Mittelwelle einstellen und führt vor allem das Internet als stärkste Konkurrenz an. Außerdem glaubt er nicht, dass nach der Digitalisierung sehr viele Radiohörer bereit sind, sich ein eigenes Empfangsgerät nur zum Hören von Mittelwellenprogrammen anzuschaffen. Die Rückmeldungen auf das Programm von Radio 1476 quantifiziert er als "überschaubar", die Hörerinnen und Hörer seien vorwiegend "Mittelwellen-Freunde, die das Rauschen der Welt mitbekommen wollen". Seiner Meinung nach "weiß der ORF nicht, was er mit seiner Mittelwelle anfangen soll". Außerdem ist er frustriert, dass jahrelang mit sehr wenig Geld das Auslangen gefunden werden musste, für das Projekt Radio Nachbar in Not jedoch innerhalb kürzester Zeit finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung standen.

Depner spricht hier eine Initiative an, die im April 1999 nach nur sechs Tagen Vorbereitungszeit während des Kosovokrieges gestartet wurde. Man schaffte damals ein internationales Informationsprogramm für Mittel- und Südosteuropa, das "Vielsprachigkeit, Fairness und Engagement" (Rosenberg) ausgezeichnet hat und weiterhin auszeichnen soll. Denn aus Radio Nachbar in Not ist mittlerweile das internationale Radioprojekt donaudialog entstanden, an dem Journalisten aus Österreich, Serbien, dem Kosovo, Bosnien, Kroatien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn und Großbritannien mitarbeiten.

Täglich von 21 Uhr 30 bis 23 Uhr steht donaudialog am Programm. Bei der Sendung am Geburtstag von Radio 1476 wurden nach einigen musikalischen Gustostückerln von "Romani Cerga" - drei jungen Burschen, die kürzlich den 1. Roma-Musikwettbewerb gewonnen haben - der Schriftsteller Milo Dor und die Schauspielerin Hasija Boric zum Thema "Heimat" befragt. Ihre Schilderungen über eigene Erfahrungen mit Vertreibung, Flucht und Exil leiteten vortrefflich über zum nächsten Programmpunkt: Jeden Tag außer Sonntag informiert Radio Afrika International von 23 Uhr bis kurz nach Mitternacht in Deutsch, Englisch und Französisch die afrikanische Community in Österreich und via Kurzwelle auch in Afrika. Im Kontrast zu den vorherrschenden Katastrophen- und Elendsmeldungen über den schwarzen Kontinent ist Radio Afrika "entschlossen, ein schönes Bild von Afrika zu senden", sagt Radiomacher Alexis Nshimyimana-Neuberg. Hinzu komme, so Nshimyimana, dass "wir als Afrikaner, ein anderes Programm bieten können als westliche Radioformate". Der Erfolg spricht für sich. Jedes Jahr seit Bestehen konnte die Tribüne Afrikas einen Journalistenpreis einheimsen. So auch dieser Tage, und das wurde beim Geburtstagsfest für 1476 selbstverständlich auch gleich ausgiebig mitgefeiert.

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