Wärmelehre à la 007

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Film soll mithelfen, Schüler für Naturwissenschaften zu begeistern. Zwei österreichische Projekte machen Schule.

Archivare des Sterbens", "Alle Zeit der Welt - die Uhr in uns" - das Programm des soeben zu Ende gegangenen European Science Film Festival sf2 liest sich aufregend und spannt mit Hilfe des Mediums Film einen Bogen über die gesamte Wissenschaft - von der Psychologie über Theologie und Chemie bis hin zur Quantenphysik. Das sf2 ist ein ehrgeiziges kleines Festival, das heuer zum ersten Mal angetreten ist, mit Mini-Budget und viel Engagement dem wissenschaftlichen Film ein Forum zu geben. Vier Tage lang waren das Polycollege Stöbergasse und das Filmcasino Schau-Orte für Neugierige aller Disziplinen. Nach Wunsch der Veranstalter soll das Festival eine Schnittstelle für Forschung, Lehre und Film darstellen und richtet sich an Wissenschafter, Unterrichtende, Schüler und interessierte Laien. Es soll den Zugang zur Wissenschaft und den interdisziplinären Austausch zwischen Forschung, Lehre und Öffentlichkeit erleichtern. Auch im nächsten Jahr soll das Festival wieder stattfinden, in der letzten Novemberwoche.

Wie überlebt Spider-Man?

Doch nicht nur eigens gedrehte wissenschaftliche Filme können Wissen vermitteln. Mit einem völlig anderen Zugang versucht die europäische Internet-Plattform "Cisci - Cinema and Science", Schüler für die Naturwissenschaften zu begeistern. Ob Spider-Man sich mit ganzem Gewicht in sein Spinnenseil fallen lässt, John McClane einen Sturz in den Fahrstuhlschacht überlebt oder Erin Brockowich chemische Verunreinigungen aufdeckt: Wie viel davon "in echt" funktionieren könnte, darüber kann der Zuschauer nur spekulieren. Cisci ist eine Initiative, die genau solche Filmszenen untersucht - auf ihre technische, biologische, physische oder chemische Realitätsnähe. Der höhere Zweck: Die Hollywood-Filme sollen für den Schulunterricht zugänglich gemacht werden, zu den Filmen wird fixfertiges Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt. Partner der Initiative sind wissenschaftliche und technische Einrichtungen in ganz Europa, die EU-Kommission fördert, Erfinder von www.cisci.net ist Heinz Oberhummer, theoretischer Physiker in Wien. "Es gibt immer weniger wissenschaftlichen Nachwuchs für Forschung und Lehre in ganz Europa", klagt Oberhummer. Die Kinostars sollen dies ändern.

Da wären etwa Spider-Man alias Peter Parker und sein Spezial-Seil, das den Spinnen-Superhelden dazu befähigt, sich an seinen eigenen Fäden quer durch die Stadt zu hangeln. Geht nicht? Geht doch! Spinnenseide von der Stärke, wie sie Peter Parker (Tobey Maguire) im Film aus seinen Handgelenken schleudern kann, könnte tatsächlich etwa 250 Kilo tragen - und wäre damit auch imstande, den Fall des Spinnenmanns zu halten. Dank der Dehnbarkeit des Seils ist auch das Bremsen kein Problem. Oberhummer rechnet vor: Nach 80 Metern im freien Fall beträgt Spider-Mans Geschwindigkeit 140 Kilometer pro Stunde, der Bremsweg liegt dank des dehnbaren Seils aus Spinnenseide bei ca. 20 Metern. Dass Peter Parker dabei eigentlich der Arm abreißen müsste, steht auf einem anderen Blatt. Aber immerhin ist er ja Superheld.

Eiszapfen am Kinn

Film- und Szenenbeschreibungen auf der Cisci-Plattform bereiten die Filme für den Unterricht auf - und die Phänomene aus diesen Szenen werden zum Anlass für naturwissenschaftliche Erläuterungen, von der Kernfusion bis zur Wärmelehre. Mit letzterer befasst sich der neueste Zugang auf der Website, zu einer Szene aus dem James-Bond-Film Goldeneye: Innert Sekunden friert der fiese Verräter Boris komplett ein, nachdem mehrere Behälter mit flüssigem Stickstoff explodiert sind. Eiszapfen wachsen ihm vom Kinn, der Schreck ist für immer in seinem Gesicht festgefroren. Die wissenschaftliche Erläuterung macht dem armen Boris nur wenig Hoffnung: In Wirklichkeit wäre ein Schockfrosten in so kurzer Zeit nicht möglich, eine vollkommene Erstarrung findet nicht statt. Trotzdem keine guten Nachrichten, denn aufgrund der heftigen Kälteverbrennungen ist ein langsamer und qualvoller Tod zu erwarten - und die Eiszapfen am Kinn sind sowieso Humbug.

Macht nichts - Hauptsache, Boris kann James Bond nicht mehr in die Quere kommen bei der Rettung der Welt, und die Schüler haben das Prinzip Wärmeleitung verstanden. Oder sie lassen sich am Beispiel von "The Day After" die Klimaerwärmung erklären und anhand von "Contact" die Zusammensetzung des Alls darlegen. Und Julia Roberts als "Erin Brockovich" unterstützt die Einführung der chemischen Elemente aus der Chromgruppe.

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