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Die Zeitschrift "Was" probiert einen Neustart unter dem Titel "Was für Zeiten".

Von einer erfreulichen Ausnahme auf dem Medienmarkt ist zu berichten, einem der raren Fälle einer Neugründung bzw. Wiederbelebung eines Intelligenz-Produkts. Während rundum Qualitätstitel stark unter Druck geraten sind, während erst recht intellektuell anspruchsvolle Zeitschriften oft ein karges Dasein fristen, in Zeiten also, da man froh ist, wenn dieses Segment nicht weiter schrumpft, ist es gelungen, ein ambitioniertes Projekt neu auf die Beine zu stellen. Die Rede ist von der Zeitschrift Was, nunmehr Was für Zeiten, vor Zeiten im Rahmen des Grazer Forum Stadtpark gegründet, später im Umfeld des Kunsthaus Muerz (Mürzzuschlag) angesiedelt, vor einigen Jahren schließlich eingestellt.

Nun probieren die alten neuen Herausgeber, Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl und der Grazer Universitätsprofessor Michael Steiner, wie sie im Editorial der ersten Nummer schreiben, "eine Renaissance". Die Publikation versteht sich von der Anmutung wie vom Inhaltlichen her als Mittelding zwischen Zeitschrift und Buch. Als Verlag hat man die Edition Gutenberg der Steirischen Verlagsgesellschaft gefunden. Zweimal pro Jahr soll eine Ausgabe erscheinen.

Weltsteirertum

Das Stichwort "steirisch" ist, auch wenn die Edition in Wiener Neustadt angesiedelt ist, nicht unwesentlich, zählen doch die beiden Herausgeber zu eminenten Vertretern dessen, was ein Journalistenkollege gerne das "Weltsteirertum" nennt, die species styriaca des Weltbürgertum. Überdies verbindet sie, ebenso wie etliche Mitglieder der fünfköpfigen Redaktion, die Tatsache, dass sie einen Teil ihrer geistig-geistlichen Prägung und Sozialisation in (oder im Umfeld) der Katholischen Hochschulgemeinde Graz erfahren haben: Neben diesen - Franz Grabner (ORF-Kultur), Meinrad Handstanger (VwGH) und Norbert Mayer (Feuilletonchef der Presse) - sind noch die Literaturkritikerin und Furche-Kolumnistin Daniela Strigl sowie Margot Wieser, zuletzt österreichische Beauftragte für Bildungskooperation in Ungarn, mit an Bord.

Auch viele der Autoren des ersten, nun vorliegenden Heftes bzw. Buches sind dem oben genannten Milieu zuzuordnen: Diözesanbischof Egon Kapellari, lange Jahre selbst als Grazer Hochschulseelsorger tätig; Kurt Wimmer, Chefredakteur a. D. der Kleinen Zeitung; Franz Küberl, steirischer Caritas-Direktor und Präsident der Caritas Österreich...

Thematisch widmet sich die Ausgabe unter dem Titel "Heimat Babylon" der Frage multikultureller Entwicklungen. Kurt Wimmer erinnert daran, dass der Begriff "Leitkultur" nicht vom CDU-Politiker Friedrich Merz erfunden wurde, sondern vom in Deutschland lehrenden, syrisch-stämmigen muslimischen Politologen Bassam Tibi stammt. Durch die parteipolitische Besetzung des Begriffs sei eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem damit Gemeinten unmöglich geworden, bedauert Wimmer. Eine solche Debatte, in der es um die Frage nach unserer Identität, nach allgemein verbindlichen Werten gehen müsste, hält Wimmer - unter Berufung auf Tibi - freilich für unabdingbar.

Über Grenzen

Bischof Egon Kapellari reflektiert anhand poetischer Texte über die Steiermark und Kärnten als Grenz-Räume inmitten Europas, wo einander "die drei dominanten Kulturen Europas - die germanische, die romanische und die slawische" begegnen. Er erinnert daran, dass diese "Nachbarschaft oft auch zur Feindschaft" geriet, dass erst nach den Schrecken der Weltkriege die Einsicht in die Notwendigkeit von "bewusst gepflegter kultureller, religiöser und politischer Nachbarschaft" im Sinne dauerhaften Friedens reifte.

Der Sprachverwirrung von Babel/Babylon stellt der Bischof das Pfingstereignis als Kontrastprogramm gegenüber. Von daher ergebe sich für Christen der bleibende Auftrag, "Grenzen abzubauen und um gegenseitiges Verständnis zu ringen". In einer solchen pfingstlichen Perspektive, so Kapellari abschließend, "kann auch Babylon zur Heimat werden - in Europa und bis an die Grenzen der Erde'." RM

Was für Zeiten

Heimat Babylon. Multikulturalität heute

Hg. von Gerfried Sperl, Michael Steiner

Edition Gutenberg in der Steirischen Verlagsgesellschaft, Wiener Neustadt 2003, e 14,90.

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