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Künstliche Menschen, Jazz-Singer, Filmgeschichte und immer wieder die Liebe und der Krieg: Das Jüdische Filmfestival Wien macht Lust auf mehr.

Der junge Mann schaut fassungslos, schüttelt den Kopf. Beginnt sich zu freuen. Und umarmt stürmisch seine Freundin, die ihm soeben mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist. Passiert tausendmal am Tag, ist oft nicht geplant - und gar nicht selten kompliziert wie hier: Der junge Mann (Roschdy Zem) ist Moslem, seine Freundin Jüdin (Cécile De France), und die Familien der beiden haben keine Ahnung von der unkonventionellen Verbindung. Wer sagt es seinen Eltern, und vor allem wie? Wie sieht ein gemeinsames Leben aus, in welchem Glauben wird das Kind erzogen, wer setzt sich durch? Muss sich jemand durchsetzen? Das sind ganz normale Fragen, die sich Paare auf der ganzen Welt stellen. "Mauvaise Foi" (etwa "Schlechter Glaube"), der Eröffnungsfilm des jüdischen Filmfestivals Wien, bringt sie auf den Punkt.

Der Regisseur des Films, Roschdy Zem, kommt zur Eröffnung, um seinen Film zu begleiten. Er ist nur der erste einer Reihe von jüdischen Filmschaffenden, die zum Festival auch heuer nach Wien kommen. Wohl prominentester Besucher ist heuer Claude Berri, dessen kuscheliger Großstadt-WG-Film "Zusammen ist man weniger allein" mit "Amélie" Audrey Tautou in der Hauptrolle gerade erst im Kino war. Berri ist als europäischer Filmproduzent und Regisseur seit Jahrzehnten prägend und mit Filmen wie Constantin Costa-Gravas' "Amen/Der Stellvertreter" oder auch dem autobiografischen "Marry me! Marry me!" im Programm präsent.

Das neue Festival

Keine "Filmwoche", die sowieso schon seit Jahren weit länger als eine Woche gedauert hat, sondern erstmals ein "jüdisches Filmfestival": So feiert Wien ab 8. November vierzehn Tage lang jüdische Filmerinnen und Filmer mit 46 Spiel-, 5 Stumm-, 17 Dokumentar- und 5 Kurzfilmen. "Bis heute weiß ich nicht, welches die Merkmale sind, die einen Menschen jüdisch sein lassen", schreibt Jurek Becker. "Ich weiß, dass andere meinen, solche Merkmale zu kennen. Ich höre, Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. Die so glauben, mögen dabei bleiben, doch ich kann mich daran nicht beteiligen. Ein Mensch ist, wer Menschen als Eltern hat, nicht mehr und nicht weniger." Dieses Zitat ist dem Festivalkatalog vorangestellt - und drückt ein klein wenig von der Ratlosigkeit aus, die einem angesichts des breit gefächerten Programms überfällt. Was ist das Gemeinsame bei diesem Festival? Was ist das spezifisch Jüdische? Da gibt es etwa drei Hommagen: Die an Claude Berri, und dann noch an Ernst Lubitsch und Fred Zinnemann-zwei Männer mit jüdischem Hintergrund, die aus Österreich flüchten mussten und in Übersee berühmt wurden. In Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria sind zwei außergewöhnliche Reihen zu sehen. Die eine beschäftigt sich mit der klassischen jüdischen Version eines Horror-Geschöpfs: Die Figur des Golem, ein der Legende nach im 16. Jahrhundert vom Prager Rabbi Löw aus Lehm geformter künstlicher Mensch, geht auf ältere Bücher der Kabbala zurück. Insgesamt vier Filme des Festivals befassen sich mit dem unheimlichen Wesen und ermöglichen Gruseln auf hohem Niveau. Eine zweite Reihe ist den Verfilmungen der Jazz Singer's Stories gewidmet - und zugleich eine Geschichte des Tonfilms anhand von Jazzmusikern über die Jahrzehnte.

In memoriam Leon Askin, Ulrich Mühe, George Tabori und vielen anderen werden Filme wieder gezeigt, die schon seit Jahren wesentlich sind. Doch Kern des Programms sind internationale und österreichische Produktionen, Spiel-Dokumentar- und Kurzfilme, "Films for Peace" und Filme zu "Exil und Identitäten".

Der junge Film

In der Jugendfilmreihe "14+" sind Filme zu sehen, die bereits auf internationalen Festivals ein junges Publikum begeistert haben. Besonderer Tipp in dieser Reihe ist "Das Jahr, als meine Eltern im Urlaub waren". Der witzige, melancholische Film spielt im Brasilien des Jahres 1970, das von einer rechten Militärdiktatur regiert wird. Er begleitet den 12-jährigen Mauro einen Sommer lang, während seine Eltern vor der Diktatur flüchten und er bei seinem jüdischen Großvater in São Paulo bleiben soll. Doch der Großvater ist nicht mehr da - und die gesamte Gemeinde kümmert sich um den kleinen, fußballbegeisterten Buben.

Gleich vier Kinos werden bespielt: Filmhaus am Spittelberg, Top Kino, Burg Kino und Metro Kino in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv - damit entsteht von Neubau über den Ring bis in den ersten Bezirk eine regelrechte jüdische Filmmeile.

Info unter: http:// www.jfw.at

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