Wie das Leben so spielt

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"Nicht von dieser Welt" stellt sich im Mailänder Großstadtdschungel der Sinnfrage.

Klosterschwestern im Film sind selten, meist werden sie als vertrocknete alte Jungfern gezeichnet oder wie Whoopi Goldberg in "Sister Act" zeitgemäß poppig auffrisiert. Giuseppe Piccionis "Nicht von dieser Welt" bildet eine rühmliche Ausnahme. Er widersteht Klischees, blickt mit viel Verständnis und Ernsthaftigkeit hinter Klostermauern und stellt das Leben im Orden als einen vieler möglicher Lebensentwürfe dar. Hier wird weder glorifiziert, noch verteufelt. "Ich war fasziniert von der Idee die Geschichte einer Frau zu erzählen, die eine endgültige Entscheidung getroffen hat, die sie nicht rückgängig machen kann und will, obwohl sie in einer Welt lebt, in der Entscheidungen permanent zurückgenommen werden," meint Piccioni.

Diese Frau ist Nonne Caterina, großartig nuanciert dargestellt von Margherita Buy. Sie steht elf Monate vor den ewigen Gelübden, scheint standhaft und fest und wird von den Novizinnen als Vorbild verehrt. "Wenn euch jemand ansieht, als wärt ihr keine echte, sondern eine gescheiterte Frau, kümmert euch nicht darum!" rät die gestrenge Schwester Oberin (Sonia Gessner) den jungen Frauen. Sie zweifelt an Caterinas Berufung. Deren Sicherheit schwindet, als ihr im Park ein Fremder ein Neugeborenes in die Hand drückt. Mütterliche Instinkte erwachen, sie besucht das Kind oft im Spital, hält das vor der Oberin geheim und beginnt außerhalb des Klosters auf Abwegen zu wandern. Caterina will die Mutter finden und taucht mehr und mehr ins "normale" Leben ein. Fern von der klösterlichen Ordnung herrscht im Alltag des modernen, hektischen Mailand Chaos. Die spartanische Strenge der Zimmer, die gemessene Gemeinschaft des Speisesaals steht gegen die Hektik der Großstadt, das Essen im Restaurant. Doch so verschieden sind die Menschen aus den beiden Welten nicht: Alle kämpfen, sind von Zweifeln geplagt, auf der Suche nach Sinn, Glück und Liebe.

Auch Caterina sucht mehr als sie denkt. Sie findet den Besitzer des Pullis, in den das Kind gewickelt war: Ernesto. Der Geschäftsführer einer kleinen Mailänder Wäscherei leidet an Gesundheitsproblemen, Konkurrenzdruck, Einsamkeit und Depression. Silvio Orlando spielt ihn mit leicht resigniertem Lächeln, ein wenig verklemmt, versteckt warmherzig. Als Caterina in sein Leben fällt, verändern sich beide. Vorurteile und Barrieren fallen. Der moralische Zeigefinger sinkt, wenn man die Lebenssituation von Kindsmutter Teresa (Carolina Freschi) begreift. Eine junge, haltlose Frau, deren Kindheitstrauma man erahnt, die einsam ihr Baby gebiert, weder Heim noch Arbeit hat. Beim jungen Mailänder Polizisten Gabriele (Alessandro di Natale) findet sie wieder Halt, ihr Leben ändert sich, das Kind verschweigt sie. Als Caterina sich aus dem Altkleiderbestand des Klosters in Zivil wirft, um mit Ernesto auf die Hochzeit zu fahren, zu der Teresa geladen ist, sind die Karten neu gemischt.

"Nicht von dieser Welt" ist ein kleines Filmwunder. Es fängt ein, wie das Leben spielen kann, ohne Klischees und Schwarzweißmalerei.

NICHT VON DIESER WELT - Fuori dal mondo. I 1999. Regie: Giuseppe Piccioni. Mit Margherita Buy, Silvio Orlando, Carolin Freschi. Verleih: Filmladen. 100 Min.

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