Wir, die im Glashaus sitzen …

Werbung
Werbung
Werbung

Es stimmt natürlich: Die im Glashaus sitzen, sollten nicht mit Steinen werfen. Doch das Leben ist leider nicht immer so simpel, wie es die wohlfeile Sentenz vorgibt. Denn bei manchen Fragen, sitzen alle, die sich äußern im Glashaus. Das Thema Medien und öffentliches Geld dafür fällt in diese Unausweichlichkeit.

Zuletzt kam die Vergabe von Einschaltungen der öffentlichen Hand bzw. staatsnaher Unternehmungen in den Printmedien ("Regierungsinserate“) ins Gerede. Die dabei kolportierte Zahl von 100 Millionen Euro zeigt, dass es sich beileibe nicht um ein Lercherl an Budgetposten handelt. Die Regierungsparteien haben sich nun auf ein Medientransparenzgesetz geeinigt, aufgrund dessen die Inseratentätigkeiten öffentlicher Institutionen vierteljährlich veröffentlicht werden müssen. Weiters wird allzu offensichtliche PR - etwa Ministerfotos bei Einschaltungen staatsnaher Betriebe abgestellt. Und: Eigentümer von Medienunternehmen sollen sich nicht hinter einer Stiftung verstecken können.

Wem gehört "Heute“?

Letztere Maßnahme trifft vor allem das Gratisblatt Heute, dessen Eigner in der Nähe der SPÖ und/oder der Familie Dichand vermutet werden - was aber aufgrund der Stiftungskonstruktion zurzeit nicht offenbar wird.

Zwei Wermutstropfen bleiben: Zum einen zieht die Opposition nicht mit, weil sie sich nicht eingebunden fühlt. Daher wird das Gesetz wohl erst 2012 beschlossen werden. Zum anderen soll es keine Kopplung der Inseratenvergabe an die Unterwerfung der Medien an die Sprüche des Österreichischen Presserats, des Selbstkontrollorgans der Printmedien, geben.

Wie fast immer in der heimischen Medienpolitik liegt hier somit nur eine zweitbeste Lösung vor. Aber sollte die kommen, ist sie immer noch besser als gar keine.

In der derzeitigen Lage ist praktisch jedes relevante Medium im Lande auf öffentliches Geld angewiesen. Auch ein Qualitätsmedium argumentiert in dieser Frage also auch pro domo (oder: sitzt im Glashaus …). Und selbst wenn klar ist, dass die öffentliche Hand auch eine Informationspflicht hat: Man darf schon fragen, ob es denn tatsächlich im öffentlichen Interesse ist, den Boulevard - von Krone bis Österreich - zu subventionieren oder sich einem Oligopol auszuliefern (wenn Krone und Heute eigentumsmäßig verflochten wären …).

Freuen wir uns angesichts der Regierungspläne also, dass das Glas wenigstens halb voll ist. Ansonsten ist heimischer Medienpolitik einmal mehr zu bescheinigen, dass sie - wie seit über einem halben Jahrhundert - eine Großbaustelle bleibt. Ein wenig Ausbesserung an der einen oder anderen schadhaften Stelle, löst wenig an der grundsätzlichen Problematik.

Großbaustelle Medienpolitik

Es beginnt bei der Presseförderung (die nach wie vor einer zeitgemäßen Form harrt) und führt weiter über "wohl erworbene“ Finanzierungsrechte wie der ORF-Gebühr (die ja die Informations- und Programmqualität im elektronischen Medienbereich gewährleisten sollte) bis zur Diskussion um die Werbeabgabe (die für Printmedien ein Problem darstellt).

Schließlich kommt man da einmal mehr bei der Frage an, wie der Gratis-Mentalität (nicht nur im Web!) zu begegnen wäre. Es liegt im öffentlichen Interesse, klarzumachen: Qualität ist nicht zum Nulltarif zu haben. Genau dafür wären auch staatliche Lenkungsmaßnahmen zu entwickeln, statt etwa (Halb-)Gratismedien durch üppige Inseratenvolumina am Leben zu erhalten. Wenn man dann noch am Sonntag durchs Land geht und sieht, wie alle an diesem Tag erscheinenden Printmedien quasi kostenlos herumhängen, so wird klar: Diese Mentalität wird seit Jahrzehnten bedient - und auch staatlich gefördert.

Die Baustelle bleibt also riesig, selbst ein Rohbau konziser Medienpolitik scheint noch immer nicht in Sicht. Das ist nach wie vor nüchtern zu konstatieren. Unser Ceterum censeo bleibt aber, hier weiter Baufortschritte einzumahnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung