Wohlgefühl mit Dogma-Regeln

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In "Italienisch für Anfänger", ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären der Berlinale, siegt der Humor über die Schwermut.

Gewöhnlich kann das Kino zum Lachen und zum Weinen bringen, kann unterhalten, kann langweilen, provozieren oder schockieren. Die dänische Dogma-Bewegung arbeitet seit Thomas Vinterbergs "Das Fest" beharrlich daran, kaum eine dieser herkömmlichen Eigenschaften des Kinos für sich zu reklamieren. Ihre formalen Auflagen (drehen auf Video ohne künstliches Licht und ohne Stativ) verhindern ein "Sich-wohl-fühlen" in einem Film oft von vorne herein.

Lone Scherfig, die erste Frau, die nun einen Dogma-Film gedreht hat - den fünften dänischen übrigens - bricht zwar nicht mit den formalen Bedingungen dieses Stils, wohl aber mit den inhaltlichen. "Italienisch für Anfänger" ist eine Komödie, die die Alltagstristesse geschickt nutzt, um daraus jede Menge komischer Momente herauszufiltern.

Eine graue Vorstadt von Kopenhagen. Andreas (Anders W. Berthelsen), der neue Pastor, kommt in den Ort und sucht nach Anerkennung und Respekt. Jorgen (Peter Gantzler), der Hotelportier, schüchtern und zurückhaltend, sucht nach vier Jahren sexueller Abstinenz die Frau fürs Leben. Karen (Ann Eleonora Jorgensen), die Friseuse, die ihre schwerkranke Mutter pflegt, findet die Liebe in der Person des Stadionwärters Hal-Finn (Lars Kaalund), der seine Schüchternheit hinter einem recht forschen Umgang mit seinen Mitmenschen verbirgt.

Drei Dinge hat "Italienisch für Anfänger" gemeinsam: Alle fühlen sie sich im gleichen Dorf gefangen, alle haben sie nur bescheidene Liebesfreunden erleben dürfen und alle hoffen darauf, dass ihre unausgesprochenen Wünsche und Sehnsüchte gehört werden.

Wenn Karen ihrem Geliebten Hal-Finn sanftmütig die Haare wäscht, so ist das keine Geste der Zuneigung, sondern ein erotischer Akt, von einer subtilen Intensität, die man vom Dogma-Kino bisher nicht kannte. Dicht wie Hal-Finns Haupthaar ist die Inszenierung dieser Szene, in der sich die übergeordnete Idee des Films verdeutlicht: Es sind keine strahlenden Helden, die Regisseurin Lone Scherfig da vor ihrer Kamera versammelt. Aber sie beklagen sich nicht über ihr Leben, sie lassen sich nicht hängen, sondern beginnen jeden Tag mit neuer Beherztheit, auch, wenn der vorangegangene voller Rückschläge war. Sie kämpfen, still und leise, für eine bessere Zukunft, die da heißt: Liebe.

Dass die Figuren lieber einen Italienisch-Kurs besuchen, als die Kirche des jungen Pastors Andreas, gibt auch diesem zu Denken. Die italienische Lebensfreude, die Leichtigkeit ist es, die die Protagonisten suchen und - zumindest für kurze Zeit - in ihrem Kurs finden. Auch der Pastor wird schließlich den Italienisch-Kurs besuchen. Am Ende reist die Gruppe gemeinsam nach Venedig, in die melancholische Stadt, die auch triste und traurig sein kann. Doch sie bleibt für sie unerschütterlich der Innbegriff des italienischen Lebensstils.

"Italienisch für Anfänger", der dritte Spielfilm von Regisseurin Lone Scherfig, wurde bei der Berlinale 2001 völlig zu Recht mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Scherfig, die in Paris und Kopenhagen studierte, arbeitete als Drehbuchautorin und Werbefilmerin, ehe sie sich dem Spielfilm zuwandte. Gerade die Hochglanzästhetik der Werbebranche steht formal in vehementem Widerspruch zu "Italienisch für Anfänger". Das zeigt auch, dass die Dinge des Lebens - Liebe, Schmerz und Hoffnung - auch in Dogma-Bildern schön sein können. Der Film bezieht seinen Witz aus den alltäglichen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten. Die Inszenierung ist optisch weit entfernt von pseudo-romantischer Verkitschung. Ein Dogma-Film, dessen Ästhetik gemäßigter ist, als die seiner Vorgänger. Genauso wie seine Figuren, die im Leben mit ganz gewöhnlichen Schwierigkeiten kämpfen, anstatt filmisch zugespitzte, nur von Helden bezwingbare Probleme zu haben. In diesem Dogma stimmt alles: Das berührend ehrliche Spiel der Akteure, die leichtfüßige Führung durch die Regisseurin, das "Sich-wohl-fühlen". Und trotz der formalen Differenziertheit gegenüber anderen Filmen ist es, als hätten sich die Dogma-Regeln ganz von selbst außer Kraft gesetzt.

Italienisch für Anfänger - Italienisk for Begyndere. Dänemark 2000. Regie & Buch: Lone Scherfig. Mit Anders W. Berthelsen, Anette Stovelbaek, Peter Gantzler und Ann Eleonora Jorgensen. 108 Min.

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