Zauberwort "Public Value"

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"Management by Chaos", meinen die Kommentatoren, "Public Value Management", kontert Medienwissenschafter Hausjell. Der ORF in Diskussion.

Zuerst gab es einen Trailer für die letztwöchige Folge der Mittwoch-Talkrunde Extrazimmer. Dann war der Trailer verschwunden: die Sendung sei ausgesetzt worden. Einen Tag später hieß es: Sie wird eingestellt. Zweites Beispiel: Seit Montag ist fix, dass Mathilde Schwabeneder neue ORF-Korrespondentin in Rom wird. Mit 1. August war die Stelle ausgeschrieben, doch obwohl bekanntlich der Papstbesuch ansteht sowie der Seher/Hörer auch etwas über italienische Politik erfah-ren will, blieb Rom - korrespondentenmäßig - einen Monat verwaist.

Grabenkämpfe auf dem Küniglberg? Der bürgerliche Programmdirektor Wolfgang Lorenz ist - laut Kleiner Zeitung - über die Einstellung "seines" Extrazimmers "sehr betroffen". Dafür kritisiert der "rote" Stiftungsrat Karl Krammer im Standard Schwabeneders Revirement nach Rom. Management by Chaos an der ORF-Spitze, so der Tenor der Kommentare.

Das ORF-Management in inferiorer Performance? Fritz Hausjell, Kommunikationswissenschafter an der Universität Wien und seit Jahren für einen lebensfähigen "öffentlichen Rundfunk" als gesellschaftliche Notwendigkeit eintretend, sieht das ganz und gar nicht so: Die Turbulenzen der letzten Tage interpretiert er als Teil eines "öffentlichen Lernprozesses", einen "Paradigmenwechsel", dass das klassische Managementverhalten, in dem intern entschieden und dann erst das Ergebnis nach außen kommuniziert werde, nicht mehr greife. Hausjell sieht - nicht zuletzt an den Vorgängen ums Extra-zimmer - eine "positive Diskussion", in der das Management lerne, solche Debatten "bewusst öffentlich" zu führen. Der Kommunikationswissenschafter ortet einen Übergang vom klassischen zu einem "Public Value" Management, und der bringe natürlich Probleme mit sich und werde auch nicht gleich verstanden.

Bewusst öffentlich?

Aber grundsätzlich goutiert Hausjell die Diskussion, denn eine Anstalt wie der ORF müsse sich dem öffentlichen Diskurs stellen und sich in ihm auch legitimieren. Das Zauberwort dafür lautet "Public Value", was auf deutsch schwer zu übersetzen ist, aber den gesellschaftlichen Mehrwert meint, den in diesem Fall der ORF erbringt, und der auch eine Finanzierung außerhalb des Marktes - etwa durch Gebühren - rechtfertigt.

Wie oft rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dient auch in der Public Value-Debatte die BBC als Vorbild: Die britische Anstalt sah sich vor drei Jahren - nach einer schweren Vertrauenskrise wegen der Irak-Berichterstattung - veranlasst, Kriterien für den Public Value zu entwickeln. Der daraus entstandene Public Value-Test ist zwar nicht unumstritten (siehe unten), wird aber dennoch in der Diskussion rund um die öffentlich-rechtlichen Medien in Europa als Referenz herangezogen.

Seit kurzem hat auch der ORF ein eigenes Public-Value-Kompetenzzentrum. Es ist - um großes Gewicht zumindest zu symbolisieren - in der Generaldirektion angesiedelt, besteht zur Zeit aber bloß aus einer Person: Klaus Unterberger, bislang Redakteur in den Bürgersendungen des Fernsehens, soll und will im ORF ein Public Value-Bewusstsein schaffen und diesen Themenbereich auch nach außen kommunizieren. Das Einmann-Zentrum will Anfang September auf einer internen Klausur fürs Public Value-Konzept werben.

Unterberger gehörte in der Ära Lindner im ORF, als es unter den Journalisten im Hause gärte, zu den Initiatoren der Plattform FreiRaum, die inhaltliche Reformen in Strategie, Programm und öffentlich-rechtlicher Unternehmenskultur einmahnte (die Furche berichtete). Auch die Aktivitäten des FreiRaum trugen innerhalb des ORF zu größerem Selbstbewusstsein bei, mehr (journalistische) Qualität im Haus zu fordern. Auf seinem neuen Posten will Unterberger genau das in die Tat umsetzen, was er damals gefordert hat.

Rechenschaft ablegen

Und er ist sich bewusst, dass - gelinde gesagt - Handlungsbedarf herrscht: Die EU stellt Anforderungsbedingungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht zuletzt bei den Neuen Medien müssen die alten Anstalten beweisen, warum sie als (teilweise) gebührenfinanzierte Unternehmen dort tätig werden dürfen. Der ORF wisse, so Unterberger, dass er - auch unter dem Druck des Publikums - über die öffentlich-rechtlichen Aufgaben und deren Erfüllung Rechenschaft ablegen muss. Und schließlich gilt es, in der Rasanz der technologischen Entwicklungen - Digitalisierung, Spartenkanäle, Video on demand etc. - den Public Value zu ermitteln und das dann auch zu kommunizieren. Generaldirektor Alexander Wrabetz kündigte letzte Woche in Alpbach erneut einen Info-Spartenkanal an: Nicht zuletzt um das zu argumentieren, wird er sein Kompetenzzentrum Public Value benötigen.

Public Value wird allerdings nur dann zum öffentlich-rechtlichen Zauberwort werden, wenn dieser "Mehrwert" auch zu quantifizieren ist. Bislang ist es ja nur die Quote, die "gemessen" wird. Wie aber steht es um die gesellschaftliche Relevanz des Programms?

Medienwissenschafter Hausjell verweist auf vorhandene Modelle - nicht zuletzt auf den Public Value Test der BBC -, um Parameter zu entwickeln, aufgrund derer die öffentlich-rechtliche Programmqualität bewertet werden kann. Seine Wissenschaft könne dazu Rüstzeug wie Publikumsbefragungen oder Inhaltsanalysen liefern. Hausjell meint daher, dass seine Zunft in der Diskussion um den Public Value mehr als nützliche Dienste bieten könne, aber auch andere Fächer wie die Politikwissenschaft, die analysieren könne, ob und wie die Demokratie durch öffentlich-rechtliche Programme gefördert wird; oder die Erziehungswissenschaft, die sich etwa mit dem Kinderprogramm des ORF auseinandersetzen könne.

Auf gleicher Augenhöhe

Hier kommt auf den ORF und auf begleitende Wissenschaften einiges zu. Wobei jenseits aller "Messverfahren", das sprechen ORF-Mann Unterberger wie Uni-Professor Hausjell gleichermaßen an, das Wichtigste ist: Öffentlichkeit wie Medienkonsumenten müssen auf gleicher Augenhöhe mit dem ORF in den Prozess der Auseinandersetzung um den Public Value einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt einbezogen werden.

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