Zehn Millionen potentielle Täter?

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Pro Minute greifen weltweit etwa 500 Personen auf kinderpornographische Inhalte im Internet zu. Was tun im Kampf gegen diese schockierenden Entwicklungen? Mit dieser Frage befaßten sich auch kürzlich Experten in Wien.

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Pro Minute greifen weltweit etwa 500 Personen auf kinderpornographische Inhalte im Internet zu. Was tun im Kampf gegen diese schockierenden Entwicklungen? Mit dieser Frage befaßten sich auch kürzlich Experten in Wien.

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Es ist unfaßbar, daß Menschen Genuß empfinden können, wenn sie sehen, wie Kinder sexuell mißbraucht werden. Genau so unfaßbar ist aber auch die Tatsache, daß weltweit pro Minute etwa 500 solcher Menschen auf kinderpornographische Inhalte im Internet zugreifen.

"Kindesmißbrauch im Internet ist keineswegs ein harmloser Spaß für verklemmte Gedankentäter, sondern der erste Schritt zur realen Tat", warnte Familienminister Martin Bartenstein kürzlich bei einer Arbeitstagung in Wien zum Thema "Kampf gegen Kinderpornographie im Internet". Und weiter: "Hinter jedem Bild steht ein mißbrauchtes Kind - eine gequälte Kinderseele. Jeder, der Kinderpornos konsumiert, wird ebenfalls zum Täter."

Die erschütternden Fälle von (Klein-)Kindesmißbrauch und die Verbreitung mit Hilfe des neuen Mediums Internet haben die Öffentlichkeit schockiert (siehe Furche 30/1998, Seite 1) sowie Behörden und Politiker wachgerüttelt. Seither wird heftig diskutiert, das österreichische Außen- und das Familienministerum veranstalteten gemeinsam die eingangs erwähnte Arbeitstagung zu diesem Thema. In drei Arbeitsgruppen befaßten sich Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit der technischen, rechtlichen und ethischen Dimension des Problems Kinderpornographie.

Ziel der Tagung war es, die Hintergründe und Zusammenhänge stärker als bisher zu durchdringen und einen internationalen Dialog zwischen den Behörden, denjenigen, die den Zugang zum Internet ermöglichen (den sogenannten "Providern"), den Internet-Benützern und Vertretern der Öffentlichkeit in Gang zu bringen.

Internet, das weltweite Computernetz, ist zum stärksten und schnellsten Medium unserer Zeit geworden. Rund 100 Millionen Menschen klinken sich weltweit ein, surfen, speisen Informationen ein, rufen Daten ab. An nur einem Tag werden 200 Terabyte (TB) Daten übertragen, das gleicht einem 2.000 Kilometer langen Bücherregal. Es genügen ein simpler Telefonanschluß und ein Modem und jeder kann dabei sein. Jeder kann Konsument und Anbieter von Informationen zugleich sein. Es ist allerdings inzwischen unmöglich geworden, diese unvorstellbare Datenmenge zu kontrollieren oder zu steuern.

Georg Hahn, Präsident der Internet Service Providers Austria (ISPA), wies darauf hin, daß die Bevölkerung zwar enormen Informationsbedarf hat, aber erst lernen muß, mit dem neuen Medium unzugehen. Als Provider fühle er sich allerdings nicht verantwortlich für pornographische Inhalte im Internet, denn das Netz funktioniere wie eine Straße: da wie dort wisse niemand so ganz genau, was eigentlich alles transportiert wird. Hahn sprach sich in diesem Zusammenhang auch für eine engere Kooperation mit den Behörden aus. Immer noch sei völlig unklar, was denn eigentlich zu tun ist, wenn man auf pornographische beziehungsweise illegale Inhalte stößt. Daher erwarte man wesentlich mehr Unterstützung seitens der Behörden.

Alle Teilnehmer wurden sich im Laufe der Tagung einig, daß hauptsächlich etwas gegen die Produzenten von Kinderpornos etwas unternommen werden muß, und zwar rasch und auf internationaler Ebene. So kündigte auch Außenminister Wolfgang Schüssel an, daß Kindesmißbrauch in seinem verschiedenen Ausformungen - angefangen von der Kinderarbeit über den Einsatz von Kindersoldaten bis hin zur Pornographie - eines der Schwerpunktthemen der österreichischen EU-Präsidentschaft sein werde. Weitere zentrale Forderungen bei der Arbeitstagung waren: n die Einrichtung einer zentralen Meldestelle auf staatlicher Ebene; n die bevorstehende Meldestelle im Innenministerium (interpol @ abacus.at) soll ihre Tätigkeit auf die aktive Internet-Fandung erweitern, auf die sogenannten "Cybercops", die international unter Einbeziehung von Interpol und Europol agieren sollen; n Konsumenten- und Jugendschutzbestimmungen sollen auch für Internet-Provider gelten; n Personen, die auf kinderpornographische Inhalte stoßen, sollen straffrei gestellt werden, sofern dies ausschließlich zum Zweck der Information an Behörden geschieht.

Es gibt allerdings auf internationaler Ebene auch schon die ersten handfesten Erfolge: kürzlich war von der größten internationalen Polizeirazzia gegen einen Kinderpornoring zu lesen. In 21 Ländern gab es eine Reihe von Verhaftungen, mehr als 100.000 pornographische Bilder von (Kleinst) Kindern wurden sichergestellt.

Auch in Österreich ist man den Tätern auf der Spur: 14 Anbieter und Interessenten für Kinderpornographie sind in diesem Jahr bereits aufgeflogen.

Für einige der Diskussionsteilnehmer stellen sich die Täter allerdings auch gleichzeitig als Opfer dar. Es sei fast unmöglich, eine klare Trennlinie zwischen Krankheit und Verbrechen zu ziehen. Fast alle bisher ausgeforschten Täter, hieß es, seien in ihrer Kindheit selbst sexuell mißhandelt worden. Es wird geschätzt, daß es weltweit derzeit etwa zwei Millionen mißbrauchte Kinder gibt.

Wieviele davon werden in Zukunft Täter sein?

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