Zerbrechlicher Bastard

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Jüngere bosnische Geschichte im Kino: "Grbavica" - Jasmila Zbanics ergreifender Regieerstling und verdienter Gewinner des "Goldenen Bären".

Wie erklärt man seiner ungestümen, lebenshungrigen Teenagertochter, dass ihr Vater kein Kriegsheld war - sondern ein gemeiner Vergewaltiger, einer von vielen, in einem serbischen Kriegsgefangenenlager? Die jüngere Geschichte am Balkan ist noch kaum aufgearbeitet, die Wunden gerade erst vernarbt. Und wie so oft sind es die Frauen und Kinder, die am schwersten an der Vergangenheit zu tragen haben - auch die Nachgeborenen. Die bosnische Regisseurin Jasmila Zbanic beschäftigt sich in ihrem ersten Spielfilm mit diesen Narben: Esma lebt mit ihrer Tochter Sara in Grbavica, einem während des Krieges stark zerstörten Stadtteil Sarajewos. Vor dem Krieg studierte Esma Medizin, doch jetzt kommt sie als Schneiderin und Kellnerin nur knapp durch, und der monatliche Zuschuss vom Sozialzentrum reicht auch nicht weit. Dass Sara so richtig zu pubertieren beginnt, macht die Sache nicht einfacher. Für einen Schulausflug ist wieder einmal eine größere Summe fällig. Die Kinder von Kriegshelden müssen weniger zahlen, und Sara fordert von ihrer Mutter die Bestätigung, dass ihr Vater ein Held war. Schließlich hatte Esma ihr all die Jahre doch erzählt, dass er an der Front gefallen war, sich geweigert hatte, den Schützengraben zu verlassen und sich zurückzuziehen ...

Die Bestätigung gibt es nicht. Esma wollte ihrer Tochter die schmerzhafte Geschichte ihrer Herkunft ersparen, wollte ihr nicht sagen, was sie ihr dann im Streit an den Kopf wirft: Sara ist der Bastard eines serbischen Vergewaltigers. Nicht gewollt, gefürchtet, und dann doch so zart und schön und zerbrechlich.

"Grbavica" ist eine jener filmischen Ausnahmeerscheinungen, die von der österreichischen Produktionsfirma coop99 koproduziert wurden. Zudem arbeitete coop99-Mitbegründerin und Regisseurin Barbara Albert auch am Drehbuch mit. Ein Einfluss, den man dem Film immer wieder anmerkt: Jasmila Zbanic kleidet die triste Geschichte in außerordentlich klare Bilder. Wenn ihr Erstlingsfilm vielleicht auch kein Meilenstein des Kinos ist: Ein wichtiger Film ist es allemal. Das zeigte auch die diesjährige Berlinale, wo "Grbavica" überraschend den Goldenen Bären gewann

GRBAVICA - Esmas Geheimnis

Bosnien/Österreich 2006. Regie:

Jasmila Zbanic. Mit Mirjana Karanovic, Luna Mijovic, Leon Lucev. Verleih:

Polyfilm. 90 Min.

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