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Wer hierzulande die Archive des öffentlich-rechtlichen Rundfunks benutzen will, stellt fest, dass das gar nicht so einfach ist.

Wer in Österreich die Archive des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzen möchte, muss zuerst einige Schranken überwinden.

"Über den offiziellen Weg hätten wir unseren Film nicht machen können", zeigen sich Eva Simmler und Thomas Korschil überzeugt, dass die Umsetzung ihres Films "Artikel 7 - Unser Recht" nur über Umwege realisierbar war. Rund ein Drittel der Dokumentation über die Kärntner Slowenen besteht aus tv-Archivmaterial, das die beiden Regisseure in langwieriger Recherchearbeit aus den Beständen des Österreichischen Rundfunks zusammengetragen haben. Zu Beginn des Projekts kam bald nach der ersten Idee die große Ernüchterung, denn die Benutzung des orf-Archivs ist teuer und der Zugang zum Material eingeschränkt.

Rahmenbedingungen fehlen

Für eine Stunde Recherche verrechnet die Tochterfirma des orf, die orf-Enterprise, mehr als 40 Euro. "Um die nötigen Vorrecherchen machen zu können und herauszufinden, welches Bildmaterial überhaupt vorhanden ist, um danach ein Konzept zu verfassen, wären schon mehrere hundert Euro zu bezahlen gewesen", sagt Thomas Korschil.

Gerade im Gedenkjahr 2005 stellt sich die Frage, warum der Zugang zum größten audiovisuellen Archiv Österreichs, und damit zu einem Teil des kulturellen Gedächtnisses, für die Öffentlichkeit nur erschwert zugänglich und mit beträchtlichen Kosten verbunden ist. Für Peter Dusek, den Leiter des orf-Archivs, gibt es eine ganz klare Antwort. "Unser Archiv ist weder vom Auftrag her, noch in seiner Definition ein öffentliches Archiv. Es ist ein Firmenarchiv, das vor allem die Eigenproduktion unterstützen soll." Dementsprechend fehlten die erforderlichen Rahmenbedingungen, die eine breitere Öffnung nach Außen ermöglichen würden. Das seien zum Teil ganz simple logistische Faktoren, wie die zu geringe Zahl an Mitarbeitern, zu wenig Rechercheplätze oder passwortgeschützte Zugänge in der edv, erklärt Dusek.

Kein gesetzlicher Auftrag

Ein viel heikleres Problem ist dagegen der Umgang mit offenen Fragen des Urheberrechts, da der orf meist nur die Rechte für die eigene Fernsehausstrahlung besitzt. Eine zusätzliche Verwertung des Archivmaterials für eine Nutzung durch Andere ist nicht vorgesehen. Dazu kommen Fragen des Persönlichkeits- und Datenschutzes, da die Ausstrahlung des gedrehten Materials mit den darauf abgebildeten Personen ebenfalls nur durch den orf vereinbart ist.

Der Hauptgrund für die fehlenden Rahmenbedingungen liegt darin, dass nach wie vor kein gesetzlicher Versorgungsauftrag besteht, der den ORF zur Öffnung seiner Archive verpflichten würde. Für eine "Audiovisuelle Nationalbibliothek" fehlte bislang der politische Wille. "Ich habe gebundene Hände und von niemandem einen Auftrag", sagt Peter Dusek, der sich gegen eine Öffnung nach Außen nicht verwehren würde.

In anderen europäischen Ländern wie in Frankreich oder England gibt es derartige nationale Archive, die durch eine gesetzlich verpflichtende Abgabe von Sendungen oder durch entsprechende Vereinbarungen mit den Sendern ihre Materialien erhalten. In Frankreich ist dies das "Institut national de l'audiovisuel", in England das "National Film and Television Archive", dessen Fortbestand in seiner bisherigen Funktion momentan diskutiert wird.

Der Dokumentarfilm "Artikel 7 - Unser Recht" konnte mit Hilfe einzelner Redaktionen und Mitarbeiter im orf sowie durch die Zusammenarbeit mit einer Produktionsfirma, die half, die finanziellen und rechtlichen Hürden zu überwinden, realisiert werden. Die Kritik am fehlenden öffentlichen Zugang zum Archivmaterial eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens, das lange Jahre eine Monopolstellung auf die nationale Berichterstattung hatte, bleibt bestehen. Und wird von Dokumentarfilmkollegen geteilt.

Digital: noch Zukunftsmusik

Die schon länger gewünschte Digitalisierung aller audiovisuellen Quellen, die dann auch den öffentlichen Zugang erleichtern soll, wird so schnell nicht eintreten. Derzeit gibt es in Österreich keinen umfassenden strategischen Plan, der eine solche Umsetzung in den nächsten Jahren vorsehen würde. Die Kosten dazu sind sehr hoch. Was es jetzt schon gibt, sind punktuelle Initiativen des Bildungsministeriums sowie der Europäischen Union. Etwa das eu-Projekt "birth", an dem auch der orf beteiligt ist. Dabei werden Highlights verschiedener europäischer Medienstationen aus der Anfangsphase der Fernsehgeschichte im Internet öffentlich verfügbar gemacht.

Mehr zu BIRTH: www.birth-of-tv.org

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