Zum Schreien komisch

Werbung
Werbung
Werbung

Österreich ist Fußball-Europameister. Zumindest in der gefakten Dokumentation "Das Wunder von Wien", die vorigen Freitag am Tag vor dem Anpfiff der Fußball-EM auf ORF 1 ausgestrahlt wurde. Die 50-minütige, von Sportchef Hans Huber moderierte Doku erzählt in Matchszenen und zahllosen Interviews den Weg des Außenseiters zum Titel nach. Mit diesem "Mockumentary", wie ein derartiger fiktionaler Dokumentarfilm genannt wird, ist Regisseur David Schalko wieder einmal ein echter Wurf gelungen: eine perfekte, typisch österreichische Mischung zwischen Humor und ganz großen Gefühlen.

Die bloße Vorstellung, seine Mannschaft könnte einen solchen Triumph feiern, treibt wohl jedem Fußballfan die Tränen in die Augen - im vollen Wissens um die Irrealität des Gezeigten. Alle Höhen und Tiefen werden durchschritten: Es kommt zur Neuauflage des Sieges über Deutschland in Córdoba, aber auch des Skandalspiels von Gijón vier Jahre später. Zum mannschaftlichen Wunder kommt im Film auch ein individuelles: das Märchen des völlig unbekannten Stürmers Peter Hruska (Franz-Xaver Brückner), der im letzten Moment nachnominiert wurde und Österreich im Alleingang zum Titel schießt.

An keiner Stelle macht sich der Film über Fußball oder Fußballspieler lustig. Kleine liebevolle Seitenhiebe gibt es nur gegen die Medien, inklusive ORF. Dennoch ist "Das Wunder von Wien" zum Schreien komisch, weil viele Fußballgrößen und Journalisten bereitwillig mitgemacht haben: Josef Hickersberger und Franz Beckenbauer loben glaubwürdig die siegreiche österreichische Mannschaft. Herbert Prohaska sowie das deutsche Duo Gerhard Delling und Günther Netzer analysieren mit größtem Ernst fiktive Spiele. Sogar Politiker kommen zu Wort: Peter Pilz entlarvt die Einbürgerung des gebürtigen Bayern Hruska als Skandal, während Ursula Stenzel das Vorgehen der Regierung verteidigt. Michael Kraßnitzer

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung