Zumutungen - und was einem zufällt

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Einst trat er ins größte Benediktinerstift Österreichs, Kremsmünster, ein. Mit 61 wählte ihn die kleine Kommunität des Stiftes Altenburg im Waldviertel zum Abt. Ein Jahr nach seiner Emeritierung legt Christian Haidinger seine Lebenserinnerungen vor.

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Einst trat er ins größte Benediktinerstift Österreichs, Kremsmünster, ein. Mit 61 wählte ihn die kleine Kommunität des Stiftes Altenburg im Waldviertel zum Abt. Ein Jahr nach seiner Emeritierung legt Christian Haidinger seine Lebenserinnerungen vor.

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Der unbedarfte Leser könnte auf den ers ten Blick den Eindruck gewinnen der eine oder andere Abt des Benediktinerstiftes Kremsmünster hätte bevorzugt durch Management by Chaos regiert. Und der junge -und später auch schon ältere - Ordensmann hätte unbedarft die Zumutungen des Oberen hingenommen.

In Wirklichkeit will Christian Haidinger, emeritierter Abt von Altenburg und weiter amtierender Abtpräses der Österreichischen Benediktinerkongregation sowie Erster Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, in seinen Lebenserinnerungen keineswegs seinem damaligen Vorgesetzten am Zeug flicken. Schon im FURCHE-Interview zu seinem Siebziger vor eineinhalb Jahren hat Abt Christian, das, was er ausdrücken will, mit dem Ausspruch: "Fast alles ist mir zugefallen", auf den Punkt gebracht.

Wer mehr über dieses Zufallen erfahren mag, der sollte einen Blick ins Buch "Geh, wohin ich dich sende! - Ein dankbarer Blick auf ein erfülltes Leben" werfen. Denn die Zumutungen oder - eben aus anderem Blickwinkel - die Pater/Abt Christian zugefallenen Aufgaben waren ob der jeweiligen Umstände gehörige Herausforderungen: So wollte der junge Mönch gerade nach Salzburg zum Theologiestudium aufbrechen, da fand er sich schon in Rom auf der Benediktinerhochschule Sant'Anselmo wieder -nicht zuletzt als Kommilitone eines gewissen Anselm Grün, der später große spirituelle Bekanntheit erringen sollte.

Lehrer statt benediktinischer Forstmann

Oder da kam der studierte Mönch zurück ins Stift und wurde gleich gen Wien auf die Bodenkultur geschickt -ein benediktinischer Forstmann wurde gebraucht. Oder dann im letzten Moment doch wieder nicht, denn über Nacht musste Pater Christian eine Religionslehrerstelle am Stiftsgymnasium übernehmen - die Lehramtsprüfung holte er im Geheimen in wenigen Wochen (und ohne Wissen des Abtes) nach. Ebenso plötzlich wurde er Erzieher im Internat. Oder später Leiter der Kunstsammlungen des Stiftes, ohne je Kunsthistoriker gewesen zu sein. Dann flugs Pfarrer (wovon schon der Novize geträumt hatte ) in der Nähe von Wels. Unvermutet wählten ihn 2005 die Mönche es Stiftes Altenburg zum Abt - die nächste Herausforderung: Unüblich, weil normalerweise kein "Externer" zum Oberen eines Stiftes gekürt wird. Herausfordernd, weil Kremsmünster ein "großes" Stift war und in Altenburg eine kleine Kommunität im Waldviertler Barockjuwel lebt, das auch kunsthistorische Kompetenz verlangte.

Dieses letzte große geistliche Amt hat Abt Christian zu seinem Siebziger wieder abgegeben. Dennoch bleiben ihm genug "Geschäfte" - er ist weiter Abtpräses der Österreichischen Benediktiner und Vorsitzender der Männeroden im Land, er präsidiert den Verein "Klösterreich" und sitzt gar im Aufsichtsrat einer ganz und gar nicht kirchlichen Versicherungsanstalt.

"Kirchengeschichte der Nachkriegszeit im Kleinen": so könnte der autobiografische Band auch betitelt sein. Was Mönchsein heute, wo es wenig Nachwuchs gibt, bedeutet, erschließt sich aus den kurzweilig zu lesenden Erinnerungen immer wieder.

Der Rezensent kann auch eine gewisse Atemlosigkeit nicht verhehlen, die ihn ob der vielfältigen Aktivitäten, die Abt Christian in seinem Buch ausbreitet, beim Lesen befallen hat. Aber es bleibt spannend, wie das alles unter den Hut eines geistlichen Lebens, das nicht in spirituelle Gschaftlhuberei ausartet, zu bringen ist.

"Fürchte dich nicht. Ich bin ja bei dir."

Naturgemäß kann ein Buch wie "Geh, wohin ich dich sende" gerade eine Ahnung vermitteln. Aber wer Abt Christian dann begegnet, weiß, was in ihm im Laufe der Jahre schon gesteckt hat - und, wer weiß, noch steckt. Der Titel ist sein Lebensmotto und steht beim Propheten Jeremia. Im oben angeführten FURCHE-Gespräch hat Abt Christian den Prophetenvers im Ganzen zitiert: "Geh, wohin ich dich sende. Tu, was ich dich heiße. Fürchte dich nicht. Ich bin ja bei dir."

Die Erinnerungen dieses Ordensmannes lassen mehr als einen Hauch davon spüren, wie diese Sätze ein "geweihtes Leben", das nun schon ins achte Jahrzehnt reicht, prägten - und auf welche Weise sie Christian Haidinger für sich umgesetzt hat.

Geh, wohin ich dich sende!

Ein dankbarer Blick auf ein erfülltes Leben. Von Christian Haidinger. Styria Premium 2015. 192 Seiten, zahlr. Abb., geb. € 24,90 Präsentation: Di 6.10., 19 Uhr. Buchhandlung Herder, 1010 Wien, Wollzeile 33 www.herder.at

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