Zurückgeholte Kultur

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In der Konzertreihe "Mit leichtem Gepäck" erinnern Orpheus Trust und RadioKulturhaus an vertriebene Musiker.

Kann nahezu vergessene Musik vorgetragen von jungen Künstlern zu einem Publikumsrenner werden? Und ob - wie, das zeigt der Orpheus Trust in Zusammenarbeit mit dem RadioKulturhaus. Die Konzertreihe "Mit leichtem Gepäck" geht nun bereits in ihr drittes Jahr. Fand die Veranstaltung das erste Mal noch im Haus der Musik statt, suchte der Orpheus Trust auf Grund des enormen Andrangs nach einem größeren Aufführungsort und wurde im RadioKulturhaus fündig. "Es sind sehr schöne, kulinarisch aufbereitete Veranstaltungen", sagt Christiane Goller-Fischer vom RadioKulturhaus über die erfolgreiche Koproduktion, die auch auf Ö1 zu hören sein wird. "Zudem halte ich die Arbeit des Orpheus Trust für sehr wichtig."

Der Orpheus Trust

Der Verein unter der künstlerischen Leitung von Primavera Gruber bemüht sich seit 1996 um die Dokumentation und Erforschung der um 1938 vertriebenen Musikschaffenden in Österreich. Wie der namensgebende Held der griechischen Sage seine geliebte Eurydike aus der Unterwelt zurückzuholen versuchte, will der Orpheus Trust Leben und Werk der NS-verfolgten Komponisten, Interpreten, Musiker, Dirigenten und Musikwissenschafter nicht endgültig ins Reich der Vergessenheit entschwinden lassen. Seit Bestehen des Vereins ist die Datenbank enorm gewachsen: Bis heute hat die Recherche 5.200 Personen zu Tage gefördert. In "Oral-history"-Interviews mit den Überlebenden oder deren Angehörigen werden nicht nur Lebensgeschichten dokumentiert, sondern Notenmaterial, Tonaufnahmen, Fotos oder Programmzettel und nützliche Hinweise auf weitere Personen, die vielleicht Kollegen, Schüler oder Lehrer waren, gesichert. Ein Ende der Forschung ist daher noch nicht abzusehen.

Gerhard Bronner moderiert

"Uns geht es aber vor allem auch um eine praxisbezogene Anwendung", so Primavera Gruber. "Wir möchten kein Ghetto sein, sondern wollen die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit dieser Musik anregen. Ich sehe darin eine Wellenbewegung." Einerseits berät und unterstützt der Orpheus Trust Musiker, die Werke dieser Zeit aufführen möchten. Andererseits gibt es eben besagte Koproduktionen, bei denen der Verein für die Auswahl des Konzepts, des Programms und der Künstler zuständig ist. Jedes Konzert der Reihe "Mit leichtem Gepäck" kreist um ein bestimmtes Thema. Den Auftakt am 4. November bilden österreichische Künstler, die in Berlin lebten, nach der Machtergreifung Hitlers aber nach Wien zurückkehren mussten und hier für kurze Zeit noch vor Verfolgung sicher waren. Werke von Arnold Schönberg, Ernst Krenek oder Alexander Zemlinsky stehen dabei auf dem Programm. Der Titel der Veranstaltung hat eine zweifache Bedeutung. Er meint zum einen das traurige Schicksal, mit wie wenig Hab und Gut die Menschen vor den Nazischergen fliehen mussten.

Zum anderen spielt das "leichte Gepäck" auch auf den Stil des Moderators Gerhard Bronner an. "Ich versuche aus dem Ganzen kein Holocaustmemorial zu machen, davon gab es schon zu viel. Es geht darum, den Leuten eine verloren gegangene Kultur näher zu bringen und das auf möglichst unterhaltsame Weise." Obwohl der vielseitige Künstler Bronner es gerne sehen würde, wenn ein anderer an seiner Stelle durch den Abend führen würde, macht er es trotzdem: "Weil kein anderer es tut. So etwas macht man aus Überzeugung, nicht wegen der Gage."

Kaum öffentliches Geld

Denn andauernde Finanzierungsprobleme gefährden die Existenz des Vereins. "Ich dachte, dass alle unsere Arbeit für wichtig halten. Aber wir müssen nach acht Jahren immer noch mit einem Minibudget auskommen", stellt Gruber fest. Sie stellt nicht nur ihr eigenes Büro zur Verfügung, sondern hat in den vergangenen Jahren unzählige unbezahlte Überstunden gemacht. Ein Hilfeaufruf im Internet hat mittlerweile zahlreiche Unterstützer gefunden. Private Spenden in der Höhe von 22.000 Euro machen nahezu gleich viel aus, wie die Förderung durch den Bund (im Jahr 2003 waren es 27.000 Euro). Trotz der angespannten Finanzlage wird das seit drei Jahren immer wieder verschobene Frankreichfestival nun doch realisiert und wird vom November bis Februar stattfinden. Noch bis nächsten Sommer will Primavera Gruber die öffentliche Hand von der Dringlichkeit der Subventionen überzeugen. Sonst droht die Welle zu verebben.

Die Konzerte der Reihe "Mit leichtem Gepäck" finden am 4. November 2004, 4. April und 8. Juni 2005 jeweils um 19.30 Uhr im RadioKulturhaus in Wien statt.

INFORMATIONEN: www.orpheustrust.at

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