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40 fahre bei der Avantgarde

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Eine Feierstunde im Mozartsaal für und mit Ernst K r e n e k veranstalteten anläßlich des 60. Geburtstages des Komponisten die Wiener Konzerthausgesellschaft und das Österreichische College. Es war, dem umfänglichen und vielgestaltigen Lebenswerk Kreneks entsprechend, eine ausgiebige, zweieinhalbstündige Feier, bei der es aber keineswegs unverbindlich-zeremoniell zuging. Da gab es drei charakteristische Werke des Komponisten (das YII. Streichquartett, sechs Kafka-Motetten und eine Folge von Klavierstücken mit dem Titel „Sechs Vermessene“); da kam der Essayist Krenek mit zwei Stücken zu Wort: dem Fragment einer an Kafka orientierten Novelle mit dem Titel „Die drei Mäntel des Anton K.“ und der „Erinnerung an Karl Kraus“, einer temperamentvollen und rückhaltlosen Huldigung an diesen Donnerer und Sprachtüftler; da sprach Friedrich Saathen über das literarische Werk Kreneks, und da trat der Gefeierte selbst ans Pult mit einem gehaltvollen 15-Minuten-Vortrag über „Sprache und Musik“, bei dem auch das Verhältnis des Komponisten zu seiner Heimatstadt Wien recht offen zur Sprache kam: ohne Verbitterung, aber auch ohne Sentimentalität. — Die beiden nacheinander aufgeführten Werke, die Motetten und die Klavierstücke, zeigen zwei extreme Möglichkeiten Kreneks: den Lyriker, der, im Innern angerührt vom Wort, von dessen Wahrheit und — hier, bei Kafka — von der ihm entströmenden Welttrauer — auch schöne, ergreifende Musik zu schreiben versteht, und den Avantgardisten um jeden Preis, der Krenek seit 40 Jahren ist, der Konstrukteur, der Messende und Vermessene, der mit dieser seiner letzten Komposition eine jener total durchorganisierten Stückefolgen zutage gefördert hat, denen wohl keine lange Lebensdauer vorauszusagen ist. Es wäre denn, unser musikalisches Empfinden würde sich — wie unser wissenschaftliches Denken — innerhalb kürzester Frist radikal verändern. Die gewissenhaft bemühten Ausführenden des künstlerischen Teiles dieser gehaltvollen Feier waren: der Österreichische Kammerchor unter Günther Theu-ring, das Rundfunk-Quartett, Otto Zykan, Klavier, und Ernst Meister als intelligenter Sprecher der Krenek-Prosa.

Dem Leiter des Kammerorchesters, Paul A n g e r e r, konnte wiederholt bestätigt werden, daß er interessante Programme zu machen versteht. Diesen guten Ruf bekräftigte auch das 1. Konzert des diesjährigen Zyklus. Auf dem Programm standen eine Jugendsymphonie von Carl Maria von ja&ttimqxi tisus sie Weber (frisch, genialisch, elegant und mit kühnen, auf das Hauptwerk vorausweisenden Tonmalereien), das 1. Klavierkonzert von Mendelssohn (aber keineswegs ein Frühwerk, klassizistisch-unpersönlich und virtuos auftrumpfend in den bewegten Sätzen, von kaum erträglicher Süße im Andante, Solist Alexander Jenner), im zweiten Teil eine S i n f o n i a concertante für fünf Soloinstrumente und Kammerorchester von Bohuslav M a r t i n u, der, vor vielen Jahren, mit einigen wirklich interessanten und charaktervollen Werken begann, aber in Amerika (aus Konformismus? aus Müdigkeit?) fast alle perr sönlichen Merkmale, alle Kraft und alle gute Härte seiner Tonsprache verloren hat (das genannte Werk stammt aus der amerikanischen Periode, 1949). Zum guten Ende: ein Frühwerk Leos Janääeks, die viersätzige Suite o p. 3 — kraftvoll, farbig, originell, mit aus mährischer Folklore gewonnenen Themen, ein Trunk aus einer reinen, kühlen Quelle. Paul Angeret dirigierte gewandt und mit Temperament. Das Orchester zeigte schon im 1. Satz des ersten Stückes einen erstaunlich großen und substanziellen Streicherton, der den ganzen Abend über erfreute.

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