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Aus dem Grazer Theateralltag

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Wenn Reinhold Schubert, der neue Intendant der Grazer Vereinigten Bühnen, vorläufig vom Pech verfolgt zu sein scheint, so hat er doch mit einigen Engagements viel Geschick bewiesen: die Verpflichtung der Diva Sigrid Martikke hebt jede Operettenpremiere um einige Grade, und mehrere neue Stimmen beleben hörbar den etwas flachen Opernalltag. Einen ausgesprochenen Glücksfall aber stellt offensichtlich die Gasttätigkeit des Regisseurs Jan Bizicky dar. Der polnische Künstler inszenierte das blendende, in allen Farben schillernde Stück „Tango“ seines Landsmannes Slawomir Mrozek. Das Werk, über das in der „Furche“ be reits mehrmals berichtet wurde, war der Anlaß für den ersten großen Erfolg der diesjährigen Grazer Schauspielsaison. Die Aufführung war hinreißend: schon lange nicht mehr hatte ein Regisseur die Darsteller zu solch vitalem mimischen Brio entflammt und eine so durchgehend temperamentvolle, nuancen- und erfindungsreiche Inszenierung zustande geibracht. Die Schauspieler lebten bei so sachkundiger Führung sichtlich auf ... Vor allem der großartige Schwadroneur von Hannes Schütz (Vater), der bewegliche Artur von Wolfgang Kraßnitzer und der skurrile Eugen von Curt Eilers.

Gemessen an diesem eigenwiili-

gen, packenden Abend, war die „Tartuffe“-Inszenierung von Dietrich von Oertzen eine strohtrockene, fade, jeder Komödlantik beraubten Textvorführung in Kostüm mit einigen Ansätzen zu gastischer Auflockerung. Vom originellen Bühnenbild Christian Schiekels abgesehen, gab es in der trostlos frigiden Luft dieser ungekonnten Arbeit keinerlei Existenzmöglichkeit für lebendiges Theater.

„Magic afternoon“, ein Stück des jungen Grazers Wolfgang Bauer, kam auf der Probebühne zur österreichischen Erstaufführung. Es handelt sich dabei um eine abendfüllende Exhibition von Grazer Slang und von sexuellen und sozialen Verhaltensweisen einer Clique von jugendlichen Außenseitern, Nichtstuern und Haschischrauchern — mit ein paar symbolischen Verbrämungen im naturalistischen Text, der sich mit Vorliebe in den Niederungen eines impotenten Faulenzertums aufhält.

Dies also ist — mit den schon früher besprochenen Aufführungen — die bescheidene Ernte eines Spielzeitdrittels im Schauspielhaus. Nicht viel besser sieht es derzeit in der Oper aus. Der „Freischütz“ war musikalisch (Dirigent Gustav Czerny) sehr ansprechend gelungen, litt aber szenisch (Regie Wolfgang Bständig) an der mangelnden Verbindung von alter Operngestik mit leichten Entstaubungsversuchen. — Recht gut gelang dann der „Don Pasquale“ von Donizetti. Zwar schoß Bständiigis Regie manchmal ln ungebührlicher Weise übers Ziel des Spielopernhaften hinaus und rutschte fast peinlich in den Klamauk ab, zwar war das Bühnenbild Robert E. Jahrens zuckerlrosasüß, zwar fehlte dem Ensemble tenoraler Glanz — aber es war doch wieder eine hübsche Aufführung; nicht zuletzt durch Edgar Seipenbuschs exakte, zügige Leitung, nicht zuletzt auch durch Peter Branoffs Don Pasquale.

Der Kammerb allettab end im Schauspielhaus wurde deshalb ein Erfolg, weil zwei Jazzsuiten des bekannten Grazer Musikers Dieter Glawischnig uraufgeführt wurden.

Es sind dies choreographische Vorwürfe von starker rhythmischer Direktheit und handlungszwingenden Einfällen, die trotz der Choreographie Fred Martenys, die sich mehr an amerikanische Show-Ballette anlehnte und das Corps zu weich agieren ließ, sehr eindringlich zur Geltung kamen. Der zweite Teil des Abends „Die sieben Todsünden der Kleinbürger“ von Brecht-Weill fiel dagegen ziemlich ab. Hier ging jegliche Sozialkritik ins Leere, und Weills Musik wirkte neben Gla- wisehnigs Free-Jazz ein wenig antiquiert.

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