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Aus den Konzertsälen

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Aus dem reichen Schatz niederländischer Passionsmusik führt das Ensemble Musica Antiqua einige der kostbarsten Kyriesätze, Motetten, Hymnen der Großmeister Josquin, Binchois, Dufay, überdies Jacob Obrechts „Matthäuspassion im Brahms-Saal auf. Hervorragenden Eindruck machte vor allem der Contratenor Zeger Vandersteene, dessen geschmeidige, sanft timbrierte Stimme die anspruchsvollen Solo- nummern souverän meisterte. So elegant, voll Anmut manche Wiedergaben an diesem Abend erklangen, geriet doch auch vieles trocken, nicht sehr animiert. Der Leiter Renė Clemencic wird sich da allmählich klar werden müssen, daß sogenannte Authentizität überhaupt nichts mit Langeweile gemein haben muß und daß es großteils beim Dirigenten liegt, wie eine Piėce gestaltet wird.

K.H.R.

Der 25jährige in Madrid geborene Wiener Thomas Kramreiter, ausgebildet in Wien (Josef Dichter), Salzburg (Winfried Wolf) und Paris (Nadia Boulanger) wählte für seinen ersten Klavierabend im Brahms-Saal ein anspruchsvolles Programm mit Kompositionen von Chopin und Skrjabin. Chopins h-Moll-Sonate war Mitte und Schwerpunkt. Ihr voraus gingen ein Nocturne c-Moll und vier Mazurken. Sichtlich bestrebt, Chopin aus der sentimentalen Kerzenbeleuchtung der Salons weg ins helle Tageslicht zu stellen, gelang dem Interpreten ein klares Bild der thematischen Struktur, aber hart und ohne die charakteristischen Übergänge der Farben. Ganz ohne Romantik und zarte Verhaltenheit wirkt Chopin nackt, auch bei vorbildlicher technischer Genauigkeit. — Völlig anders, gewissermaßen gegensätzlich zeigte sich Kramreiter bei den 24 Preludes von Alexander Skrjabin. Hier war alles voll Weichheit und Poesie, nach innen gewandtes Musizieren. Das zeigt von Vielseitigkeit des begabten jungen Künstlers, dessen Profil noch unklar, dessen pianistisches Können jedoch eine Hoffnung ist.

Mit der Ouvertüre zu „König Stephan” begann das 7. Beethoven- Konzert der Symphoniker mit Carl Melles am Pult. Ihr solgte das Klavierkonzert C-Dur, op. 15 dessen Solopart Rudolf Buchbinder spielte. Geriet der erste Satz ziemlich spannungslos und wenig differenziert und noch der zweite nicht in voll ausschwingender Kantabilität, kam der Schlußsatz doch zu voller glänzender Entfaltung, vor allem durch Tempo und Brio, in restlos geglückter Einheit von Solisten und Orchester. Auch in der „Eroica”-Symphonie blieb der erste Satz ein wenig farblos, nur in einigen (sehr aparten) Details leuchtend. Dafür wurden Trauermarsch und Finale Höhepunkte des Musizierens Beethovenscher Musik in gesammelt ekstatischem Pathos und hinreißend gesteigertem Triumph der Variationen des Schlußsatzes. Carl Melles1 Fähigkeit, alle (zuweilen eigenwillig betonten) Details schließlich zu großer Gesamtwirkung zusammenzufassen, zeigte sich einmal mehr im begeisternden Endeffekt. Franz Krieg.

Für den plötzlich erkrankten Michael Gielen sprang Hans Swa- rouisky als Leiter des 3. Musica- viva-Konzertes im Großen Sendesaal des österreichischen Rundfunks ein. — Hans Werner Henze schrieb 1963 eine Folge von Orchestervariationen mit Introduktion und abschließendem Trauermarsch nach neun Radierungen Goyas mit dem Titel „Los Caprichos”. Sie klingen so, wie man sich eine Komposition aus der Feder eines gemäßigt modernen Komponisten zu dem Thema erwartet. Es gibt dazwischen schneidende Dissonanzen, lärmende Explosionen, elegische Passagen und anderes mehr. Was man vermißt ist die plastische Formung und die Kraft der Suggestion, die Goyas Zeichnungen in so hohem Maße besitzen …

Alle diese Qualitäten finden wir in einem keineswegs programmatischen Werk des um zwei Jahre jüngeren polnischen Komponisten Tadeusz Baird mit dem Titel „Vier Dialoge für Oboe und Kammerorchester”, das zur selben Zeit wie die Komposition Henzes entstanden ist. Der originelle Klang des apart zusammengesetzten Orchesters (mit Klavier, Cembalo, Celesta, Harfe und großem Schlagwerk) dient hauptsächlich dazu, für den virtuosen und melodisch inspirierten Solopart einen Klangteppich, gewissermaßen als Hintergrund, zu weben oder dem Protagonisten entgegenzutreten, im ganzen also eher ein Discerto als ein Konzert. Der junge Oboist Lothar Faber weiß seine Qualitäten ins Licht zu rücken und begleitet sein virtuoses Spiel mit eleganten tänzerischen Bewegungen. (Der Oboist als Star — warum eigentlich nicht? Wir haben uns halt nur noch nicht daran gewöhnt…) Bei der Interpretation dieser beiden schwierigen modernen Werke haben Dirigent und Orchester, die wahrscheinlich nur sehr kurze Proben mit einander hatten, Ungewöhnliches geleistet. Hingegen haben wir selten eine so unruhige, unpräzise und im ganzen unbefriedigende Wiedergabe des Adagios aus Mahlers X. Symphonie gehört wie an diesem Sonntagabend. Man sollte dieses Band deshalb löschen, weil es sowohl von Swarowsky wie von den Symphonikern bessere Interpretationen gerade dieses Werkes gegeben hat.

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