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Aus Italien

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Mailand, im Juni. Die für die nächsten drei Jahre geplanten Austauschgastspiele Wiener Staatsoper — Mailänder Scala lenken die besondere Aufmerksamkeit auf das berühmte italienische Operninstitut. Mit dem Stargastspiel („Lucia di Lammermoor“ von Donizetti), das bereits in Nr.'26 der „Furche“ besprochen wurde, und mit der Aufführung von Cimarosas komischer Oper „Die heimliche Ehe“ (im Akademietheater) haben sich die Italiener aufs beste in Wien eingeführt: mit einer lebensprühenden Aufführung von selten erreichter Einheitlichkeit der Ensembleleistung; so daß uns Robert Schumanns hartes Urteil über dieses Werk: „Im Technischen durchaus meisterlich, sonst ziemlich interesselos, zuletzt wahrhaft langweilig und aller Gedanken bar“ geradewegs ungerecht erscheinen will. Cimarosas temperamentvolle Buffooper will ja keineswegs mehr sein als ein amüsantes, lebendiges Stück Musik. Genau dieser Ansicht waren wohl der Dirigent Nino Sanzogno, in Wien schon als Interpret zeitgenössischer Musik bekannt, und der Regisseur Giorgio S t r e h 1 e r. Sie hatten „II matrimonio segreto“ gewählt zur Eröffnung der Piccola Scala, der „Tochterbühne“ der Mailänder Scala, zu Beginn dieser Saison. Und in der gleichen Glanzbesetzung: mit Carlo Badioli als altem, schwerhörigem Neureichen, mit Giulietta Simonato als altjüngferlicher Schwester und mit Graziella Sciutti und Eugenia Ratti als den heiratsfähigen Töchtern des Alten, mit Luigi Alva als heimlichem Verlobten und Franco Calabrese als adeligem Hochstapler und — nicht zu vergessen — mit den reizvollen Bühnenbildern Luciano Damianis hat Cimarosas Werk wiederum (wie vor mehr als anderthalb Jahrhunderten die Uraufführung am Burgtheater) in Wien bezaubert; ein Kleinod heiterer Opernkunst, das bereits zweimal gründlich in Vergessenheit geraten war, überhaupt zu neuem Leben erweckt zu haben, dieses Verdienst gebührt überdies den stürmisch gefeierten Gästen.

Die Piccola Scala brachte außerdem in ihrer ersten Spielzeit neben Werken Scarlattis, Cherubinis und Donizettis, neben Mozarts „Cosi fan tutte“ und neben Balletten von de Falla und Strawinsky („Apol-lon Muagete “ mit Serge Lifar als Choreographen) auch eine Uraufführung, genauer: die szenische Erstaufführung der vor vier Jahren mit dem Premio Italia ausgezeichneten Funkoper „Der glückliche

Heuchler“ G. F. G h e d i n i s ; mit dem Libretto nach Max Beerbohms Erzählung „The happy hypo-crite“ ging Ghedini leider nicht gerade glücklich um: aus der ironisch-parodistischen Novelle wurde nämlich eine langatmige Komödie mit — Moral und mit konventioneller Musik, so daß der Erfolg verdienterweise gering war. Brillante Gesangsleistungen allerdings boten unter der lebhaften musikalischen Leitung von Antonio Votti die junge Graziella Sciutti als bogenbewehrter Cupido und der Bariton Tito Gobbi als Lord Inferno; sonst wäre es wohl zu einem glatten Durchfall gekommen.

Zu einer seltsamen posthumen Ehrung für Thomas Mann gestaltete, sich , die diesjährige Balletturaufführung der Großen Sca I a. Als der Dichter ein Vierteljahrhundert vor seinem Tode „Mario und der Zauberer“ schrieb, dachte er gewiß nicht daran, daß diese Erzählung nach seinem Tode den Stoff für ein — Ballett liefern könnte. Luchino Visconti aber formte die unheimliche Badestrandgeschichte zu einem handlungsarmen, bloß effektvollen Märchen um; der junge Franco M annin o, bisher vor allem als Pianist und Filmkomponist bekannt, schrieb dazn eine gefällige, allzugefällige und ebenfalls auf äußerliche Wirkung bedachte Gebrauchsmusik; und der gleichfalls junge Dirigent Luciano Rosada brachte „Mario'e il Mago“ zusammen mit Tschaikowskys „Hochzeit der Aurora“ und de Fallas „Hexenmeister. Liebe“ in der Mailänder Scala heraus. Störend in der Gesamtkonzeption des Werkes ; wirkte die redselige, Sprechrolle (!) .des' Zauberers und . der 'an Kinokitsch : gemahnend“. die Handlung untermalende Frauerichor..

Auch Neapels berühmtes Opernhaus, das Teatro San Carlo, brachte ein'-'Uraufführung in dieser Saison:1 „La'guerra“,,:'Jejtten'Einakter, dessen Text und Musik von Renzo' R'ö s s e) 11 i n i, dem Bruder des bekannten ;Filmregisseurs, stammen, und dessen ein-; fache,, aber grausame JjandJuhg mit ihrer pazifistischen Tendenz die Verwandtschaft mit neoveristischen Filmstoffen nicht verleugnen kann; die sehr gekonnte .Musik vermochte jedoch' nur selten mitzureißen und kaum zu ergreifen. Oliviero de Fabritiis als temperamentvoller musikalischer- Leiter verhalf dem realistischen Musikstück zu einem beachtlichen. Erfolg, der beweist, daß die Oeffentlichkeit für Warnungen solcher Art zugänglich und dankbar ist.

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