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Aus Konzertsaal und Oper

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Es wirkte gleidinishafte Kraft, als die Gesell- schaft österreichischer Kulturfreunde ihre Feier-i stunde des Weltfriedens im großen Sofiensaal so reichlich musikalisch ausstattete und um die „Worte der Besinnung“ des Bundeskanzlers, um beredte Zeugnisse der Friedenssehnsucht großer Dichter und Denker vieler Nationen musikalische Dokumente gleicher Gesinnung rankte. Das sind ja die völkerverbindenden Bande der Musik: Das Verständnis eines Symphoniesatzes von Haydn, Mozart oder Tschaikowsky ist ebensowenig an irgendwelche Zollschranken gebunden, wie Beethovens Hymnus „Seid umschlungen, Millionen!“ oder Anton Bruckners „Te deum“. So wurden die musikalischen Vorträge einer zahlreichen, von Hans Duhan geleiteten Künstlerschar Helfer der an diesem festlichen Vormittag versammelten Meister, des Wortes vom Burgtheater und anderen namhaften Bühnen.

Das erfreuliche Bestreben von Vereinigungen, von Land zu Land auf der kulturellen Ebene eine Gemeinsamkeit zu finden, verdolmetschte auch 'las Symphoniekonzert der Gesellschaft zur Pflege jer kulturellen und wirtschaftlichen Be Ziehungen zur Sowjetunion. Das Programm gab in knappem Rahmen instruktiv Aufschluß über russische Musik. Es ging von dem Schöpfer der russischen Nationaloper, Michael J. Glinka, aus und führte über den immer neuen Problemen nachspürenden Sc rj ab in und den passionierten Melodiker Glasounow zu der prägnantesten russischen Komponistenerscheinung unserer Tage, dem mit seinen vierzig Jahren bereits bei der neunten Symphonie haltenden Schostakowitsch. Der jugoslawische Dirigent Kresimir Baranovic, gegenwärtig Opernchef in Preßburg, sorgte an der Spitze der Wiener Symphoniker für stili-

ösrfie Treue der Wicdergahe. Xäton Pietz, ein aufgehender Stern am Geigerhimmel ans der Schule Professor Ernst Morawec, brillierte als Solist.

Die Dirigentenfrage bereitet nach wie vor reichlich Schwierigkeiten, neuerdings noch dadurch verschärft, daß Josef Krips, auf dessen Schultern seit dem Kriegsende allzuviel Pflichten lasteten, durch Krankheit zeitweise ausgeschaltet erscheint. Freilich lassen der ungewöhnlidie Erfolg Herbert v. Karajans in dm letzten Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker, der - Versuch einer positiven Bereinigung der Angelegenheit des in Wien weilenden Dr Wilhelm Furtwängler, sowie andere Bemühungen in ähnlicher Richtung hoffen, daß diese, der Kunst und der Geltung Wiens als Musikstadt abträgliche Krise in absehbarer Zeit überwunden wird. Inzwisc'ien hat in den Konzerten der Gesellschaft der Musikfreunde ein neuer Dirigent, Dr. Anton Lippe, Fuß gefaßt. Er war in Graz tätig und kommt vom Kirchenchor her. Seine Interpretation ist sorgfältig und wahrt Distanz. Vermittelte der Künstler im Jännerabend eine Wiedergabe des lange entbehrten Violinkonzerts von Felix Mendelssohn mit F i e t z als Solisten, so sicherte er sich bei der folgenden Veranstaltung in der jungen Ungarin Edith Farnadi, die bereits an mehreren eigenen Abenden von der technischen wie der auffassungsmäßigen Seite her sich auszeichnete, eine treffliche Interpretin von Saint-Saens'-G-moll-Klavierkonzert. Werke von Mozart, Bruckner, Reger und Richard Strauß beleuchteten hier aus wechselnder Sicht eine Dirigentenerscheinung von ernstem Wollen und gediegenem Können.

Im Chorwesen macht sich nach der Befreiung von dem politischen Druck der früheren Herrschaft wieder, eine frische Arbeitsfreude geltend. Stadtrat Dr. Matejka ist im Rahmen seines Kulturreferates für das Chorwesen in der Person Karl B. Jindraceks eine besondere Aufgabe zugewiesen. Der Wiener Männergesangverein trat bereits mit einem Chorabend hervor; der Wiener Schubertbund, der unter dem früheren Regime besonders zu leiden hatte, ist eifrig daran, seine frühere Stellung zurückzugewinnen. Ehrenchormeister Hofrat Keldorfer und sein langjähriger Präsident Prof. Meithner sind, nach jahrelanger Verfemung in ihre bedeutsamen Ämter wieder eingesetzt; Hr Aktionsprogramm ist das der Tradition des im 83. Jahre seines künstlerischen Wirkens stehenden Vereines würdig. — Eine Aufführung von Haydns „Schöpfung“ zeigte den Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde unter der passionierten Stabführung von Krips in guter sängerischer Verfassung. Der Chor erhielt durch das ausgezeichnete Terzett von Irmgard Seefried, Anton Dermota und Herbert Alsen eine ansprechende solistische Überhöhung.

Abseits von dem geläufigen Konzertrepertoire stand ein Melodramenabend von Maria Eis mit Professor Robert Fanta am Klavier. In spannungsreichem Vortrag gestaltete die gefeierte Tragödin des Burgtheaters Alfred Tennysons Dichtung von dem um sein Lebensglück betrogenen Heimkehrer „Enodi Arden“. Nach Art einer aus dem Augenblicksimpuls geschöpften Improvisation kleidete Robert Fanta Richard Strauß' in zarten Farben gehaltene Musik um die Worte der Sprecherin, ohne durch selbstherrliche Ambitionen die Verständlichkeit des Vortrags zu gefährden.

Als eine Besonderheit des Wiener Musiklebens . haben sich, die „Konzerte für Kenner und Liebhaber“ der ausgezeichneten Cembalistin Isolde Ahlgrimm im Konzertsaal einen geachteten Platz erkämpft. Man wird nicht leicht Gelegenheit haben, ein dem heutigen Konzertgebrauch so abgewandtes Non-plus-ultra kontrapunktischer Künste wie die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach zu Gehör *zu bekommen. Hier wird es mit einer Treue dargeboten, die allen Ansprüchen des Musikhistorikers gerecht wird und die Wiedergabe doch zugleich zu einem Stück lebendiger Gegenwart stempelt.

Es ist ein Recht) der Jugend, sich dem Neuen zuzuwenden und dem Verständnis moderner Werke eine Bresche zu schlagen. Mit glühender Begeisterung und erstaunlicher Umsicht stellt Kurt Rapf das Collegium musicum unter anderem auch in das Beginnen, manches Versäumte der letzten Jahre aufzuholen. ■ So zeigte ein Abend moderner Musik die Musirier-vereinigung an ungewohnten nicht leichten Aufgaben. Der Führer der Moderne im deutschen Sektor, Paul Hindemith, war mit einer Kammermusik für obligates Klavier und zwölf oloinstrumenten, die in ihrer frischen musikan: tischen Art gut interpretiert wurde, vertreten. Eine Violinsonate des Schweizers Arthur Honneger, eine Gesangsreihe des Österreichers Ernst Krenek fanden die jungen Kräfte des Collegiums mit Hingabe und Können bei der Sache. Kompositionen neuesten Datums

Sonnten von S. C. E c k h a r 'd t - G r a m a 11 £, Hans Gresser und Paul Angerer vermittelt werden. In allen macht sich irgendwie das Ringen ura neuen Ausdruck geltend, das zur kleineren Form, zur kleineren Besetzung hindrängt.

Die Staatsoper ist beim Aufbau ihres Spielplans durch hundert, aus dem Kriegserbe sich ergebenden,-Überlegungen bestimmt und eingeengt. Der Verlust des Hauses am Ring, der stark dezimierte Bestand an Dekorationen und Kostümen, Erwägungen finanzieller Natur spielen herein und machen ein vorsichtiges Vorwärtstasten nötig. Die zurzeit benutzbaren Bühnenhäuser, die für das Orchester wenig Platz gestatten, lassen die Einbeziehung anspruchsvoller Werke nicht zu. Die Personalverhältnisse werden nun bald dadurch, daß eine Trennung 'von den Ensembles der ehemaligen Volksoper und des Theaters n der Wien mit dem Redoutensaal durchgeführt wird, wesentlich geklärt erscheinen. Damit soll zugleich auch die Volksoper unter eine gesonderte Leitung gestellt werden, die für sich selbständig Handeln und einen besonderen Aufgabenkreis umreißen kann.

Eine Bereicherung des Spielplans, die mit keinerlei Risiko verbunden ist, bedeutet die neuinszenierte „Carmen“. Mag man das Werk —: wie Nietzsche in seiner Ausspielung gegen Richard Wagners Musikdrama — unterschätzt haben, heute steht fest, daß „Carmen“ als Oper eine ungemein geschickte Lösung darstellt, die Musik und Drama, realistische Darstellung und Romantik zu verflechten weiß. Felix Prohaska hat der Klangwerdung dieser farbenfrohen Partitur viel Sorgfalt zugewandt. Man spürte den heiklen Ensembles tüchtige Probenarbeit an. Das Orchester musizierte rhythmisch gestrafft, wie es dem Werke stilmäßig zukommt. Walter v. Hoeßlins Bühnenbilder brachten das Milieu überzeugend nahe und gaben der Regie gute Entfaltungsmöglichkeit. Erika Hanka vereinigte die Tanzchoreographie und die Inszenierung in ihrer Hand. Der Gefahr, dem tänzerischen Geschehen ein Übergewicht zu geben, wußte die Künstlerin klug zu begegnen.

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