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Ausklang des Bach-Festes

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Wie bereits erwähnt, ergab die Einbettung der festlichen Badi-Aufführungen in österreichische Musik und Landschaft — in Ubereinstimmung mit Bachs Lebenswerk — ein Ubergewicht des Kirchenmusikalischen, dessen vollkommenster gottesdienstlicher Ausdruck im Pontifikalamt des Augustiner Chorherrenstiftes St. Florian erreicht wurde. Anton Bruckners Messe in e-moll für achtstimmigen Chor und Bläser (Staatsopernchor, Symphoniker, Volkmar Andreae), die „liturgischeste“ aller großen Instrumentalmessen, erfuhr auch die liturgischeste Wiedergabe unter allen in diesem Zyklus aufgeführten Messen, klang nicht nur mit den steinernen Symbolen Carlones und Prandtauers, der Bauherren des berühmten Barockstiftes, sondern wie diese mit dem liturgischen Vorgang selbst in gewaltiger Symphonie zusammen, ergänzt und betont durch den feierlichen Choral- und Motettengesang des Stiftschores, der sich den übrigen Ausführenden gewachsen zeigte. Die nachmittägige Orgelvorführung durch Anton Heiller machte mit einer der interessantesten Orgeln Österreichs durch einen der interessantesten österreichischen Organisten bekannt. Beide stehen vor ihrer Vollendung, und es ist d;e Frage, wer sie früher erreichen wird. — Bachs Partita d-moll für Violine allein, eine Meisterleistung Wolfgang Schneiderhans, und Bruckners Streichquintett (Sdrneiderhan-Quartett mit Alfred Grünberg) beschlossen die St.-Flo-rianer Darbietungen im Marmorsaal des Stiftes, gleichsam weltlicher Nachklang der geistlichen Feier.

Auch Joseph Haydns Nelsonmesse in der Bergkirche von E i s e n s t a d t, der einstigen Wirkungsstätte des Komponisten, war eine künstlerisch beschwingte Leistung (Akademie-Kammerchor, Symphoniker, Ferd. Großmann), allerdings mehr konzertanter als kirdilicher Natur, was durch das gänzliche Fehlen der Propriumsgesänge noch besonders unterstrichen erschien; ein bedauerlicher Fehler selbst für einen Dorfkirdienchor, doppelt bedauerlich bei einem repräsentativen Festgottesdienst in einer Landeshauptstadt. Die schönste Haydn-Messe bleibt ein kirchenmusikalischer Torso ohne die Gesänge des Tages, die dem Feste seinen Sinn geben. Denn die Kirche feiert nicht Bach und nicht Haydn, sondern das Fest der heiligen Dreifaltigkeit oder das Fronleichnamsfest usw., was sich nicht im Ordinarium, sondern im Proprium ausdrückt. — Das nachmittägige Konzert im Esterhazy-Schloß bestritten die Wiener Sängerknaben mit viel Schwung und ebensoviel Erfolg.

Kirchenmusikalisch vorbildlich gestaltet war das Hochamt in der Stiftskirche Kloster-neubuig. Lebendiger Choralgesang der Kleriker schuf in den Hymnen des Propriums, darunter der ergreifenden Fronleichnamssequenz „Lauda Sion“, jene seelische Vibration, in der Beethovens C-dur-Messe (Singakademie, Symphoniker, Dr. Reinhold Schmid) ihre volle kirchliche Wirkung entfalten konnte. — Die Vorführung der restaurierten Orgel, der ältesten Großorgel der Welt, durch den Stiftsorganisten Kurt Lerperger ergab ein klanglich herbes und etwas starres Bild, das mehr an Perotinus und Frescobaldi als an J. S. Bach denken ließ. — Wieder erfreuten in einem Konzert die Wiener Sängerknaben durch vorbildliche Leistungen, denen die des gemischten Lehrer-a-capella-Chors nicht ebenbürtig waren. Dem festlichen Anlaß entsprechend, hätte man im übrigen von diesem Chor, allen anderen Ausführenden des Bach-Festes angeglichen, eine festlichere Kleidung erwarten dürfen.

Eine gottesdienstliche und eine konzertante geistliche Abendmusik in der lutherischen Dorotheerkirche (J.-S.-Bach-Kantorei, Symphoniker, Egon Hajek) brachten den religiösen Inhalt Bachscher Musik zu stärkerer Entfaltung als jeder Konzertsaal. Die Ausführungenerreichten besonders in der Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ eine ungewöhnliche geistige Konzentration und durch einheitlichen Ausdrude bestimmte künstlerische Rundung von nachhaltiger Wirkung als Ausklang der geistlichen Veranstaltungen.

Prof. Franz Krieg

Zwei Wochen lang stand Wien im Zeidien des Internationalen Bach-Festes, das man wohl als einzig in seiner Art bezeichnen kann. Der künstlerische Wert der Aufführungen wurde an dieser Stelle ausführlich gewürdigt. Daß es bei den dreißig Konzerten, die von insgesamt 43.700 Zuhörern — darunter über 2000 aus dem Ausland — besucht wurden, keine einzige Programmändernng und nur unwesentliche Umbesejtzungen gab, ist der vorzüglichen Organisation zu danken, die in den Händen des Generalsekretärs der Gesellschaft der Musikfreunde lag, der zusammen mit seinen Helfern vorbildliche Arbeit geleistet hat. Besondere Anerkennung gebührt auch dem anonymen Verfasser der zahlreichen Programmeinführungen, deren fachliche und sprachliche Qualität dem Gegenstand angemessen war.

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