Benjamin Britten - © Foto: Getty Images / Popperfoto

Benjamin Britten in Wien: Warum kein Festival?

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Dreimal Benjamin Britten in Wien: Der Musikverein machte den Anfang, die Neue Oper Wien und das Theater an der Wien zogen nach.

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Dreimal Benjamin Britten in Wien: Der Musikverein machte den Anfang, die Neue Oper Wien und das Theater an der Wien zogen nach.

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Chancen liegen oft auf der Hand. Man muss sie nur erkennen und daraus etwas machen. Das wäre zuletzt in Wien möglich gewesen. Zuerst das hier nicht allzu oft zu hörende „War Requiem“ von Benjamin Britten in einer hochkarätigen Besetzung im Wiener Musikverein.

Dann gleich zwei seiner Opern: eine Neuinszenierung von der sich schon seit langem für diesen Komponisten einsetzenden Neuen Oper Wien im Museumsquartier und die Wiederaufnahme eines Britten-Renners am Theater an der Wien. Wenn das keine Pfähle sind, die ausreichen für ein Britten-Festival?

Hat man das nicht bedacht? Oder wollte man nicht? Jedenfalls: Die letzte Wiener Britten-Retrospektive liegt mittlerweile ein Vierteljahrhundert zurück. Roland Geyer, damals noch an der Spitze der Musikalischen Jugend Österreich, heuer in seiner letzten Saison als Intendant am Theater an der Wien, zeichnete dafür verantwortlich. „Britten & Briten“ war der Titel dieser fast den ganzen Monat Oktober 1996 dauernden Reihe, die einen fundierten Einblick in die britische Musik und Musikinterpretenlandschaft brachte, wie es hierzulande nicht mehr der Fall war.

Subtile Atmosphären

Darunter waren auch zwei von der Neuen Oper Wien verantwortete Opernproduktionen. Neben dem den Ödipus-Mythos aufgreifenden Zweiakter „Greek“ von Mark-Anthony Turnage und Jonathan Moore Brittens ebenfalls auf zwei Akte ausgelegter „Billy Budd“, mit dem die Wiener Staatsoper sich erst 2001 in einer maßstäblichen Produktion auseinandersetzen sollte.

Eine Oper von Britten hatte die vom einstigen Geiger des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters, Walter Kobéra, gegründete, seither von ihm geleitete Neue Oper Wien auch jüngst wieder auf ihrem Premierenprogramm: dessen von Thomas Manns gleichnamiger Novelle inspirierten „Death in Venice“. Eine, wie auch von anderen Britten-Opern gewohnt, Auseinandersetzung des Komponisten mit seiner Homosexualität.

Abgehandelt in einer weniger auf dramatische Spannung, sondern mehr auf subtile Atmosphären setzenden musikalischen Sprache, die vor allem nach persönlichkeitsstarken Darstellern verlangt. Sie waren – zuweilen mehr gestisch als gesanglich überzeugend – vor allem durch Alexander Kaimbacher als Aschenbach, Andreas Jankowitsch in vom Reisenden bis zur Stimme des Dionysos reichenden, verschiedenen Partien sowie Ray Chenez als Stimme des Apollo vertreten. Unaufdringlich präsentierte sich die Regie von Christoph Zauner in einer von den Stegen Venedigs angeregten, stimmigen wie praktikablen Bühnenlandschaft von Christof Cremer, in der weitestgehend auf Requisiten verzichtet wird.

Gewohnt umsichtig führte der an der Spitze seines ehemaligen Orchesters stehende Intendant Kobéra auch das übrige Ensemble samt dem Wiener Kammerchor durch Brittens letzte Oper. Fast hätte es im Rahmen dieser drei Britten-Produktionen das Debüt zweier Shootingstars der gegenwärtigen Dirigentenszene gegeben. Aber Joana Mallwitz, seit ihrer Salzburger „Cosí“ vielgefragt, kürzlich als Nachfolgerin von Christoph Eschenbach als Chefdirigentin des Berliner Konzerthausorchesters designiert, erwartet Nachwuchs. Sie musste daher für das „War Requiem“, jener offensichtlich nie an Aktualität verlierenden, bewegenden Anklage gegen den Wahnsinn jeder kriegerischen Auseinandersetzung, absagen.

Für sie sprang der frühere Langzeitchef des Salzburger Mozarteumorchesters und Musikdirektor des Madrider Opernhauses, Ivor Bolton, ein, der diese Aufgabe mit Bravour löste. So blieb nur der zweite der ursprünglich vorgesehenen vielversprechenden jungen Pultvirtuosen: der erst 26-jährige Thomas Guggeis. Er leitete die Wiederaufnahme der 2015 erstmals gezeigten „Peter Grimes“-Produktion am Theater an der Wien.

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