Bob Dylan - © Foto: Getty Images / Michael Ochs Archives / Larry Hulst

Bob Dylans Lieder-Schau

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Er veröffentlichte ein Buch über die „Philosophie des modernen Songs“. Wer glaubte, der 81-jährige Bob Dylan würde darin endlich die Geheimnisse seiner eigenen Schreib-Kunst entblößen, wird enttäuscht. Aber nicht nur.

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Er veröffentlichte ein Buch über die „Philosophie des modernen Songs“. Wer glaubte, der 81-jährige Bob Dylan würde darin endlich die Geheimnisse seiner eigenen Schreib-Kunst entblößen, wird enttäuscht. Aber nicht nur.

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Am Anfang des Buches, an dem Autorinnen und Autoren häufig ein pointiertes Zitat eines Anderen als Leitmotiv setzen, um die eigene Intention in helleres oder auch subtileres Licht zu tauchen, steht bei Dylan der folgende Satz: „In diesem Song liegt dein Glück jenseits des großen Meeres, und wenn du dorthin willst, musst du das große Unbekannte überqueren.“

Der Urheber des Gedanken wird nicht genannt. Indes, es entpuppt sich als Kern dessen, was auf den folgenden 350 Seiten folgt: keine Musik-Philosophie, sondern eine Lieder-Schau nach Gusto des Maestros; und der moderne Song in 66 Beispielen, dessen relevante Vertreterinnen und Vertreter für Dylan offenbar in den 1980er Jahren aufhören.

Es wäre eine Überraschung, würde der 81-Jährige mit dem, was er tut, kein Stirnrunzeln erzeugen. So auch mit dem erstem Prosa-Werk seit den autobiografischen „Chronicles“ (2004). Denn Johnny Cash, Willie Nelson, Nina Simone, Dean Martin, die in der „Philosophie …“ ihre Erwähnung finden, kennen wohl die meisten. Doch viele der anderen besprochenen Interpretinnen und Interpreten dürften selbst vielen eingefleischten Musik-Liebhabern wenig sagen.

Outlaws vor den Vorhang

Ein grobes Schema, dem entlang Dylan sein Buch konzipiert, ist das Folgende: zunächst lässt er sich auf den Text des jeweiligen Songs ein (seltener: auf die Melodie), paraphrasiert ihn in einer Art deutendem stream of consciousness. Dann taucht er aus der Tiefe des Songs auf, um ihn und/oder den Künstler im Kontext zu betrachten – und mitunter das jeweilige Thema des Stücks als Sprungbrett zu nutzen. So etwa, wenn er zu Harry McClintocks Song „Jesse James“ über den legendären Outlaw aus dem Wilden Westen schreibt, um das Verbrechertum als solches zu sezieren. Jesse James sei geächtet gewesen, dem Schutz des Gesetzes entzogen. Heute „gehen die Mafiabosse und andere Wirtschaftsverbrecher ihren schmutzigen Geschäften in Wolkenkratzern nach [...] und lassen sich von Schlägern beschützen, die für sie die Drecksarbeit erledigen, und natürlich von Anwälten, die Distanz zu ihren Namen und Vergehen halten. Deshalb gibt es zwar noch Verbrecher, aber keine Outlaws mehr.“

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