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Chöre und Liedersänger

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! Nach ihrer Uraufführung beim Gottes- i dienst (siehe Furche Nr. 48/1963) hörte : man die Messe von Paul Hindemith (für : gemischten Chor a cappella) nun von denselben Ausführenden (Wiener Kam- ! merchor unter Hans Gillesberger) im i Konzertsaal. Bei aller Klarheit und Aus- . gewogenheit der Wiedergabe fehlte dem Werk die kirchliche Atmosphäre, das , liturgische Geschehen. Das bedeutet keinen Mangel an künstlerischem Wert, wohl aber an unmittelbarer Wirkung, da ihre Ausdrucksskala eben liturgiebedingt ist und dieser Grundlage im Konzertsaal , entbehrt. Dagegen schuf der „37. Psalm“ von Anton Heiller (Uraufführung) Hochspannung schon in den ersten Takten und hielt die unerhörte Dichte seiner musikalischen Substanz bis zum Ende. Der Funke sprang sogleich über und tauchte die Hörer in eine im Konzertsaal selten erreichte Adventsstimmung. Unter der Leitung des Komponisten erreichten Chor (Wiener Singakademie) und Orchester (Wiener Symphoniker) eine musikalisch wie geistig überzeugende Wiedergabe des schwierigen Werkes. Im folgenden „Ezzolied“ (Oratorium für Soli, Chor und Orchester und Orgel) von Joh. Nep. David wurde (wohl auch textbedingt) diese Dichte nicht immer gehalten. Die Musik mit ihrem kontrapunktischen Gefüge und ihrer motivischen Verbundenheit erreicht allerdings stellenweise éine Vielschichtigkeit der Klänge, deren Verdeutlichung enorme Ansprüche an die Ausführenden, vor allem an den Dirigenten, stellt. Hans Gillesberger löste diese Aufgabe mit Bravour, die Solisten Maria Harvey, Laurence Dutoit, Kunikazu Ohashi sowie Josef Nebois an der Orgel taten ihr Bestes. Durch seine (abermals textbedingte) Länge wirkt die Komposition gegen Ende ermüdend, doch blieb der Abend als Konzert moderner Musik einer der immer seltener werdenden Höhepunkte.

Unter seinem Dirigenten Xaver Meyer sang der Madrigalchor St. Veit eine Reihe wunderschöner Marienlieder von Brahms und überraschte durch feine Ausgewogenheit der Stimmen wie durch sauberste Intonation. Beides war bei den folgenden Motetten von Bruckner teilweise überfordert, kam aber in der Theresienmesse von Joseph Haydn zu voller Geltung und Auswirkung, obwohl auch hier (und stilbedingt noch mehr als bei der Messe von Hindemith) der kirchliche Raum und seine Weihe fehlte. Annelies Hückl, Rose Bahl, Klaus Ger- both und Franz Wimmer sangen die Soli, Hans Haselböck wirkte an der Orgel, das Haydn-Orchester stellte den instrumentalen Part. Vor der Haydn- Messe gab es die Uraufführung einer Schülerarbeit Beethovens, des „Dona nobis pacem“. Das kleine Werk ist abhängig von der Substanz der „Wiener Klassiker“, deren größter Beethoven werden sollte. Franz Krieg

Im Brahmssaal des Musikvereins gab (für den erkrankten Anton Dermota einspringend) Herr Cornelis van Dijk einen Liederabend. Er ist dem Namen nach Holländer und gilt als einer der Spitzentenöre der Deutschen Oper, Berlin. In der Tat hat die Stimme van Dijks ihre Qualitäten: ein angenehmes Timbre, Kraft und Glanz in der Höhe sowie eine bemerkenswerte Flexibilität. Woran es diesem Tenor, um als Liedersänger zu reüssieren, fehlt, ist der Ausdruck. Genauer: Fürs Gemüthaft-Gemütliche und

— natürlich — fürs Hochdramatische hat er ein sehr natürliches Gefühl. Aber dem Ernsten, lyrisch Versunkenen, 1 geistig Differenzierten weicht er aus. Schon durch seine Programmwahl. Von 1 Franz Schubert, Hugo Wolf und Richard Strauss stand nur Gängiges und Lieb- 1 liches auf dem Programm, von Liszt Sentimentales. Die sechs „Compositioni da camera“ von Verdi — auf Texte zweitklassiger zeitgenössischer Autoren

— sind verkappte nichtszenische Opernarien : reißerisch grob und von er- schreckender Banalität. Naturgemäß f lagen sie dem Opernsänger am besten, i Trotz dieser Einwände muß man fest-

stellen, daß Cornelis van Dijk etwas Liebenswürdiges und Einnehmendes hat: Er ist eine naive Frohnatur, die in anderen Breiten — und anderen Ansprüchen ausgesetzt als im Rahmen dieses Eliteliederzyklus im Brahmssaal — auf mehr Verständnis und Zustimmung rechnen kann.

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