6571366-1950_21_14.jpg
Digital In Arbeit

Chorsymphonie und Liederzyklen

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einer Aufführung der Neunten von Beethoven wurde der Zyklus r'er Gesellschaft der Musikfreunde .Die große Symphonie“ abgeschlossen: ein sinnvoller Abschluß und eine Aufführung von Format. Hans Knappertsbusch dirigierte die Symphoniker und den Singverein; Seefried-Höngen-Patzak-Edelmann bildeten das Solistenquartett. Aber gerade bei der Neunten genügt es nicht, mit einem erstklassigen Ensemble die Partitur zu reproduzieren und die Formen dieses Werkes gleichsam tönend zu bewegen. Jene großen Spannungen, von denen die beiden ersten Teile erfüllt sind, fehlten, und auch der für Schiller und Beethoven so charakteristische Jubel des letzten Satzes klang gedämpft.

Das letzte Abonnementskonzert der Philharmoniker wurde ebenfalls von Hans

Knappertsbusch geleitet. Die „Ballade für großes Orchester“ von Theodor Berger wurde anläßlich ihrer Aufführung beim Internationalen Musikfest an dieser Stelle ausführlich besprochen. Das eigenartige Werk fesselt vor allem durch seinen Klang und gewinnt bei wiederholtem Hören. — Obwohl Dvoräks „Symphonische Variationen über ein Originalthema für großes Orchester“, op. 78, nicht zu den stärksten Werken des Meisters gehört, begrüßen wir die Aufführung, da es eine Bereicherung des Standardrepertoires bedeutet. Ein typisch böhmisches Thema, das einem der Männerchöre Dvofaks auf Volksliedtexte entnommen ist, wird 14mal variiert und mit einer Fuge, der noch eine Polka folgt, abgeschlossen. Am besten gelang die Wiedergabe der klang-prächtigen 2. Symphonie von Franz Schmidt, zu welcher der Dirigent ein sehr persönliches Verhältnis zu haben scheint. Im ganzen: ein originelles Programm, das glänzend dargeboten wurde.

Im sechsten (vorletzten) Konzert des Kammerorchesters unter Franz Litschauer hörten wir als Uraufführung das „Konzert für Streichorchester“, op. 40, Nr. 1, von Johann NepomukDavid. Die dreiteilige, etwa eine halbe Stunde dauernde Komposition nützt alle Klangmöglichkeiten der Streichinstrumente: Flageolets, Pizzicati, Spielen am Steg, Tremoli und — sehr ausgiebig und eigenartig — den Triller. Der erste Satz stellt eine Verquickung von Fugen- und Sonatenform dar; der zweite wird von einer kanonischen Adagiomelodie über kurzen Ostinatofiguren der tiefen Streicher beherrscht, während der dritte ein vielfältiges kontrapunktisches Spiel aufweist, das in eine Stretta mündet. Das ganze Werk zeigt jene noble, etwas unpersönliche Faktur, die für mandie Werke Davids charakteristisch ist. — Den Abschluß bildete Mozarts Symphonie E s - d u r ; dazwischen spielte Enrico Meinard 1 — virtuos und mit unübertrefflicher Tongebung — wieder einmal H a y d n s Violoncellokonzert in D-dur.

Mahlers „Lied von der Erde“ und die Suite für mittlere Singstimme und Orchester „Verklärtes Jahr“ von Joseph Marx bildeten das Programm eines außerordentlichen Konzerts der Gesellschaft der Musikfreunde. Josef Krips dirigierte die Wiener Symphoniker; Elisabeth Höngen und Julius Patzak waren die ausgezeichneten Solisten, die an diesem Abend beide in besonders guter Form waren. — Nicht nur der Kunstverstand, sondern auch die geistige Haltung eines Komponisten spiegelt ich in der Wahl der Texte. Die Mahlerschen sind — wenn wir vom großen Li-Tai-Pe absehen und uns an Hans Bethges Chinoiserien halten — von den Marxschen (Fofanow, Kernstodc, Morgenstern, Hauptmann) nicht allzu verschieden. Lebensfreude, Lebensgenuß, auf eine einfache Formel gebradit: „Wein, Weib, Gesang“, und als Korrelat dazu: panische Trauer und Vergänglichkeitsmelancholie. Diese Stimmungen werden in Mahlers Musik etwas spiritueller, bei Marx handfester ausgedrückt. Die den beiden Zyklen vorausgehende „Euryanthe“-Ouvertüre machte den Verlust an Substanz und plastischer Kraft Innerhalb der romantischen Schule — der als letzte Ausläufer auch die beiden genannten Liederzyklen angehören — besonders deutlich.

In einem von der Österreichischen Kulturvereinigung veranstalteten Kammerkonzert gelangte Hindemiths Sonate für Kontrabaß und Klavier aus dem Jahre 1949 zur europäischen Erstaufführung. Welche Schwierigkeiten technischer und vor allem klanglicher Natur bei der Komposition zu bewältigen waren, ist jedem Musiker klar. Um die melodischen Linien des etwas ungefügen Instruments zu verdeutlichen, schreibt

Hindemith inen sehr durchsichtigen Klaviersatz auf lange Strecken in hoher — gleichsam komplementärer — Lage und gibt genaue, sorgsam abgestufte Stärkegrade an. — Die Form des Werkes ist sehr frei. Reihung, Variation und spieltechnische Varianten ersetzen thematische Arbeit, insbesondere die „Durchführung“. Der Gesamteindruck war nicht ganz befriedigend, da die Wiedergabe einen Virtuosen und ein sehr leicht ansprechendes Instrument erfordert. (Die Ausführenden waren Otto und Gerhard Rühm). — Das zweite Werk Hindemiths, das an diesem Abend seine österreichische Erstaufführung erlebte, war die aus dem Jahre 1948 stammende Neubearbeitung des .Marieiiiebens' nach R. M. Rilke. Es gibt für die Beurteilung des Menschen und Künstlers Hindemith kaum ein besseres Kriterium als den Vergleich der Fassung von 1922/23 mit denen von 1939 und 1948. Da Hindemith selbst eingehende Erläuterungen in dem umfangreichen Vorwort der Neufassung gegeben hat, vermeiden wir deren Wiedergabe und stellen nur fest, daß dieses Werk in seiner gegenwärtigen Gestalt eines der bedeutendsten Hindemiths und damit der gesamten neuen Musik ist. Die Wiedergabe durch Judith Hellwig und Franz Holetschek war mustergültig, der Erfolg ungewöhnlich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung