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Das Bayrische Rundfunkorchester in Wien

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Das Orchester des Bayrischen Rundfunks unter Eugen Jochum, seinem ständigen Dirigenten, war das erste deutsche Ensemble nach 1945, das in Wien konzertierte. Zunächst da« Äußere: ein „junges“ Orchester, in dem durchaus die mittleren Jahrgänge vorherrschen und das auch einige weibliche Musiker (Streicher) umfaßt. Der Klangcharakter: etwas hellere, aber kaum schärfere Bläser, insbesondere Trompetern sehr bewegliche, fast schon französisch klingende Holzbläser; exakt spielende Streicher, deren Klangfarbe der vorklassischen Musik und manchem zeitgenössischen Werk besonders angemessen sein dürfte. Doch davon erhielten wir leider keine Probe. Das Programm: Ouvertüre zur „Hochzeit de6 Figaro“ (ohne besondere Eigenart), das Violinkonzert von Beethoven (in der Begleitung etwas weniger elastisch, aber in manchen Details genauer, als wir es gewohnt sind) und Bruckners V. Symphonie in der Urfas6ung, bei der das ganze Orchester sehr eindrucksvoll zum Zuge kam. Die Bruckner-Pflege der bayrischen Metropole kann sich mit der Wiens fast messen, und Eugen Jochums Qualitäten als Bruckner-Interpret sind bekannt. Trotzdem ließ das Programm unbefriedigt. An die Stelle des vorgesehenen Debussy - Preludes trat Mozart, und den Platz eines zeitgenössischen deutschen Werkes nahm das Violinkonzert von Beethoven ein. Weder das Werk noch die Wiedergabe durch Wolfgang Schneiderhan (die vollkommen warl) stehen zur Debatte, aber ist es zu rechtfertigen, fast die Hälfte des Programms bei einem Orchestergastspiel einer Solobegleitung zu opfern?

Die Philharmoniker spielten in ihrem ersten Konzert unter Hans Knapperts-b u s c h die III. Symphonie von Brahms und die Neunte von Bruckner. Auch der Freund klassisch-romantischer Musik wird zugeben, daß ein solches» Monsterprogramm über die normale Fassungskraft eines aufmerksam fol-folgenden Zuhörers geht. Wir sind an dieser Stelle wiederholt dafür eingetreten, die großen Bruckner-Symphonien allein aufzuführen oder nur ein passendes kurzes Werk zum „Einspielen“ vorangehen zu lassen, etwa das neuentdeckte „Festliche Präludium“ aus dem Bruckner-Kreis, zu dessen Wiener Premiere sich immer noch kein Dirigent entschließen konnte. Die Interpretation war von philharmonischer Vollkommenheit, und bei Knap-pertsbusch überraschte — und erfreute! — eine flotte Art des Musizierens, die natürlich auch an Ausdruck und Intensität nichts zu wünschen übrig ließ.

Das Niederösterreichische Ton-künstlerorchester trat nicht ohne Sorgen in die neue Spielzeit ein. Durch den Weggang von Kurt Wöß sah es sich ohne ständigen Leiter, und die Tonkünstler mußten sich entschließen, zum System der Gastdirigenten überzugehen. Ebenso gefährlich erschien die notwendig gewordene Erhöhung der Eintrittspreise. Und durch die Samstagnachmittagkonzerte der Philharmoniker im Auftrag der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot war Konkurrenz zu befürchten. Das erste Sonntagnachmittagkonzert unter dem ständigen Leiter des Vorarlberger Rundfunkorchesters, Hans M o 11 k a u, im vollbesetzten Großen Musik-vereinssaal zeigte, daß alle Sorgen unnötig waren, denn die Tonkünstler haben ein treues Stammpublikum, da6 auch bei diesem ersten Konzert in der neuen Spielzeit voll auf 6eine Rechnung kam. Nach der II. Symphonie von Beethoven spielte Eva Hitzker — tonschön, sicher und mit Schwung — Dvordks Violinkonzert a-moll. Den Beschluß bildeten Respighis „Fontane di Roma“, in denen sich Hans Moltkau — wie auch im übrigen Programm — als durchaus begabter und routinierter Dirigent erwie6.

Was war e6, daß beim Liederabend Irmgard

Seefrieds den Kontakt mit den Zuhörern erschwerte und erst allmählich „Stimmung“ entstand? Die Untertemperatur des Saales oder der etwas zaghafte, intime Beginn („Auf ein altes Bild“ und „Denk es, o Seele“ von Hugo Wolf)? Vielleicht wäre es doch besser gewesen, den Schubert-Zyklus an den Anfang zu stellen? — Aber das sind Fragen der Wirkung und nicht des Wertes. Programmgestaltung und Darbietung zeugten von hohem künstlerischem Ernst und Streben. Im Gesang und in der Begleitung durch Dr. Erik Werba war jedes Detail bedacht. Die mittlere Linie des lebendigen Vortrags (zwischen den Extremen des asketischen Liedstil6 und dem opernmäßigen Dramatisieren) ist glücklich gefunden. „Schweig einmal still“ und „Auch kleine Dinge“ au6 dem Italienischen Liederbuch waren Meisterwerke der intimen, „Die junge Nonne“ von Schubert ein Glanz6tück eindrucksvoller dramatischer Gestaltung.

Erna Berger, nach langer Pause wieder zum erstenmal auf einem Wiener Konzertpodium, begann mit Arien von Gluck, Veracini und Haydn. Dann folgte ein Zyklus seltener aufgeführter Schubert-Lieder, im zweiten Teil Hans Pfitzners „Alte Weisen“ nach Gedichten von Gottfried Keller und Sechs Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano von Richard Strauß. Die Wahl der beiden letztgenannten Zyklen, die den Schwerpunkt des Programms bildeten, war bezeichnend. Es gibt Musikfreunde, die Pfitzners Humor nicht sehr goutieren und auf neckisch-altdeutsche Art keineswegs zu erheitern sind. Die Brentano-Lieder von Richard Strauß, ungewöhnlich schwierig durch die fast pausenlose Aneinanderreihung von Verzierungen und Koloraturen, sind echte Glasperlen. Für intensiveren persönlichen Ausdruck bieten beide Zyklen kaum eine Möglichkeit, lediglich für virtuose Gestaltung. Aber auch diese glückte nicht immer ganz einwandfrei, zum Beispiel in einigen Spitzentönen und infolge einer merkwürdigen Unterkiefer- und Lippen6tellung, wodurch der Ton zuweilen deformiert wird. Wir pflegen an dieser Stelle nicht gern bei technischen Details zu verweilen, aber wenn man weitgehend auf Ausdruck verzichtet und ein Programm auf Virtuosität anlegt, steht lediglich vorwiegend diese zur Debatte.

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