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Das Spiel hat begonnen

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Am Dienstag abend tanzten die Fackeln im Geviert des Salzburger Residenzplatzes die Salzburger Festspiele 1961 ein. Die Salzburger und ihre Gäste umrahmten den fürstlichen Platz um den schönsten Brunnen Mitteleuropas als eine zweite, lebendige Architektur.

In diesem „historischen Fackeltanz” zur Einbegleitung der Salzburger Festspiele 1961 und in manchen Jahren auch in großen Trachtenumzügen wurde die Verschmelzung der Spielfreude Salzburgs mit der Spielfreude i n Salzburg versucht. Daß es eine Salzburger Freude am Spiel aus dieser Stadt und Landschaft gibt, kann nicht leugnen, wer etwa die besinnlichen Spiele des Adventsingens in der Weihnachtszeit kennt, die viele Male auch im neuen Festspielhaus ausverkauft sind.

Die Verschmelzung der Spieltradition des zwölfhundertjährigen Salzburg mit den gut vierzigjährigen Festspielen erfüllt sich aber mehr im festspielverbundenen Alltag der mittätigen, mitwirkenden und mitgeschäftigen Salzburger als in den Aufführungen selbst. Salzburg ist ein Rahmen und ein Hintergrund und sucht sich im Bilde der Festspiele immer selbst.

Die Salzburger Festspiele sind wieder einmal im Umbau. Sie suchen ihre eigene Tradition. Die Beschwörung der Hof- mannsthalschen Idee ist sehr vernehmlich geworden. Wird sie aber diesem dröhnenden Anruf der zweiten Hälfte dieses 20. Jahrhunderts standhalten? Kann die noch beinahe lyrische Auseinandersetzung Hofmannsthals an der beginnenden Jahrtausendwende unseres Jahrhunderts noch die kalte Dramatik des Kampfes um unser ewiges Weltbild von heute bewältigen?

Es ist die Kernfrage, ob der Anruf an Jedermann, den reichen Mann von 1920, noch den um seinen letzten Reichtum, um seine Individualität, um seine Persönlichkeit ringenden armen Menschen von 1961 erreicht.

Wir sind heute bedroht, wie die Flüchtlinge dieser Welt aus reicheren Bezirken verjagt zu werden als aus dem Reichtum des Geldes, nämlich aus uns selbst. Es ist ein neuer Jedermann, der von den Bergen und Türmen angerufen wird.

Die Musik Mozarts in vier seiner Opern, mit dem wahrhaft festlichen „Idomeneo” an der Spitze, und in den Konzerten muß als ein gewandelter Anruf des Jedermann, als ein Anruf Gottes aus dem Genie verstanden sein, als ein Anruf des Ewig-Menschlichen wie im „Faust” und der großen Bescheidung wie im „Bauer als Millionär”.

Dazu steht Verdis „Simone Boccanegra” und Wagner-Regenys „Bergwerk zu Falun” wahrscheinlich schlecht zu Gesicht. Hier bleibt Richard Strauss’ „Rosenkavalier” doch menschlich gültiger.

Die Salzburger Festspiele werden sich selber finden, wenn sie den Anruf des neuen Jedermann wagen, wenn sie wie Mozart in der vollendeten Schönheit seiner Musik die Frage um die letzte Existenz des Menschen stellen, auch wenn sie in ihrer künstlerischen Gestalt noch so wehtut. Dann werden wieder die Welt und Jedermann in Salzburg sein.

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