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Der Höhepunkt kam am Schluß

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Wie geborstene Eisschollen türmen sich Klaviere zu einem zerklüfteten Gebirge auf, für das Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde „Das Eismeer” Modell gestanden hat. Klaviere über Klaviere - eine wahre Schwemme jenes Instrumentes, das als Inbegriff romantischer Musikkultur gilt. Edle Bitter, die Lorelei, der Tod und das Mädchen sowie zahlreiche andere Figuren und Allegorien aus dem Fundus jener Kunstepoche schreiten durch die Trümmerlandschaft; zu ihnen gesellen sich Schubert und Goethe. Alles dreht sich um die Bomantik in Mau-ricio Kagels 1981 uraufgeführter Oper „Aus Deutschland”. In einer raffinierten Collage aus Texten von Heine, Hölderlin, Goethe, Eichendorff und anderen variiert und paraphra-siert Kagel typische Themen wie unglückliche Liebe, Einsamkeit, Sehnsucht, Natur und Tod.

Großer Applaus für Herbert Wer-nicke, verantwortlich für Regie, Bühnenbild und Kostüme, sowie Reinbert de Leeuw, der den Nederlands Ka-merkoor und das Schönberg Ensemble souverän durch die Partitur führt, in der Anspielungen auf die Musik der Romantik (Instrumentierung, Wiederholung kleiner Einheiten, entsprechende Intervalle) durch swingenden Jazz und verzerrte Klangbilder kontrastiert werden. Die Sänger, die ihren Text nicht nur singen, sondern auch stottern oder hauchen, ziehen alle Register. Besonders der Baß Jens Larsen beeindruckt.

Verständlich auch für Menschen, die über keine umfangreiche humanistische Vorbildung verfügen und sich nicht ausgiebig mit zeitgenössischer E-Musik beschäftigen, war Mozarts „Cosi fan tutte” - eine musikalisch, szenisch und gesanglich hervorragende Aufführung: Ein entfesselter Ric-cardo Muti dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper. Angelika Kirchschlager, Monica Bacelli, Bo Skovhus, Paul Groves, Alessandro Corbelli und vor allem die grandiose Barbara Frit-toli bieten Sangeskunst vom Feinsten.

Sehr schön, voller Witz und herrlich altmodisch die Inszenierung (Roberto de Simone) und entsprechend opulent und prächtig Bühnenbild und Kostüme. Wäre diese Aufführung nicht eine Wiederaufnahme aus dem Jahr 1994, sie wäre das Opernereignis der diesjährigen Festwochen.

Kaum zu glauben, daß „Cosi fan tutte” bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts als mittelmäßiges Werk galt, das nur durch massive Striche zu „retten” sei. Wahrscheinlich war dieses durchaus bittere Gleichnis von der Austauschbarkeit der Gefühle dem bürgerlichen Publikum nicht ungeschminkt zumutbar.

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