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Die ersten Opernpremieren und Konzerte

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Nach einer Aufführung von Puccinis „Madame Butterfly“ im Jahre 1935 schrieb der Münchener Musikkritiker Alexander Berrsche, daß für ihn der Gegensatz zwischen dem Schicksal1 einesiiwahllosirgütigen und demütigen Geschöpfes aihd der eingänglichen Unterhaltung durch eine süße, mondäne und geistreiche Musik zur körperlichen Qual geworden sei. Daß dem so sein konnte, lag nicht an Puccinis Musik, deren eigentliche Domäne die große Trauer ist und deren echt japanische Sparsamkeit und romanische Formsicherheit man nicht mit Mondänität verwechseln darf, sondern es mag Schuld des Dirigenten und einer konventionell trippelnden und sich zierlich gebärdenden Hauptdarstellerin gewesen sein. Die in der Staatsoper neuinszenierte „Butterfly“ unter der Leitung von Dimitri Mitropoulos war von anderer Art. Wir erlebten ein ergreifendes menschliches Drama, dessen in jedem Ton und in jeder Bewegung überzeugende Heldin Sena Jurin a c hieß. Und wir hörten eine hochdramatische, originelle Musik, deren Harmonien und opalisierende Klänge faszinieren und ergreifen. Wie Mitropoulos es fertigbringt, symphonisch zu musizieren und gleichzeitig geradezu ideal zu begleiten — das ist sein Geheimnis. Die natürliche Kraft und Anmut der Führung inspirierte die Philharmoniker zu einer ganz erstklassigen Leistung, deren Fixierung auf Schallplatten man sich dringend wünschte. Angenehm ruhig sang und agierte neben Sena Jurinac, deren Stimme immer mehr der der großen Cebotari gleicht, Hilde Rössel-Majdan als Zuzuki. Giuseppe Zampieri gab einen sonnigen, angenehm singenden Linkerton, Rolando Panerai einen sympa- tischen Konsul und Renato Ercolani einen grotesken, aber nicht übertriebenen Goro. Mit der Regie Josef Gielens konnte man — bis auf eine massive Geschmacklosigkeit am Ende des letzten Bildes — einverstanden sein. (Da dieser Fauxpas in der nächsten Aufführung vermutlich nicht mehr gemacht werden wird, wollen wir nicht darauf insistieren.) Die Bühnenbilder und die Kostüme des Japaners Tsugouhara Foujita sind realistischer und nüchterner, als wir's gewohnt sind. Sie passen irgendwie zu dem Ernst, mit dem der Dirigent und die Hauptdarstellerin die „Butterfly“ gestalteten.

Als Wiener Premiere kann auch die von Herbert von Karajan dirigierte und inszenierte Salzburger „F a 1 s t a f (“-Aufführung gelten, die an dieser Stelle bereits besprochen wurde. (In den Hauptrollen: Tito Gobbi, Rolando Panerai, Luigi Alva, Tomaso Spataro, Renato Ercolani, Mario Petri, Elisabeth Schwarzkopf, Anna Moffo, Anna Maria Canali und Giulietta Simionato.)

Wie zu erwarten war, wiederholte sich in der Wiener Staatsoper der große Erfolg, den Dimitri Mitropoulos in Salzburg mit der Aufführung der „E 1 e k t r a“ hatte. Neben Inge Borkh stand dies

mal Hilde Zadek als Klytämnestra auf der Bühne. Hermann Uhde sang den Orest, Max Lorenz den Aegist. .

Als Don Carlos debütierte der jutige Tscheche fyo Zidek. Hermann Uhde, von der konzertanten Aufführung der Orffschen „Antigone“ in bester Erinnerung, war auch in Verdis „Don Carlos" ein eindrucksvoller König. Martha Modi sang die Eboli, Hilde Zadek die Elisabeth von Valois und Edmond Hurshel den Großinquisitor in der von Berislav Klobucar geleiteten Aufführung.

In den letzten von Herbert von Karajan dirigierten „Carmen“-Vorstellungen fiel die gereifte und moderierte Gestaltung der Titelpartie durch 'Jean Madeira ebenso auf wie die glänzend gesungene und mit feinen Zügen ausgestattete Micaela durch Hilde Güden. Zwei Gäste von der Pariser Großen Oper hatten einige Mühe, sich neben diesen beiden Damen zu behaupten.

Als Auftakt zu dem Jubiläumsjahr, in welchem der Singverein seinen 100jährigen Bestand feiert, veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde eine Aufführung von Haydns „Schöpfung“. 1798 wurde das Werk im Palais Schwarzenberg uraufgeführt, und schon zwei Jahre später begann s.ein Triumphzug durch die ganze Welt mit Aufführungen in Prag, Pest, Berlin, Leipzig, London und Paris. Heber dieses vollkommene Werk, das an mehreren Orten den Anlaß zur Gründling lei-, stungsfähiger Chorvereinigungen gab, sagt ihr Schöpfer: „Erst als ich zur Hälfte in meiner Komposition vorgerückt war, merkte ich, daß sie geraten wäre.“ Beides: die große Bescheidenheit . und die Allgemeinverständlichkeit, wünscht man manchem zeitgenössischen Komponisten. — Unter der Leitung von Joseph K r i p s hat der große Chor des Singvereins sauber und klangschön gesüngen und. in den Lobgesängen, welche die drei Teile beschließen, gemeinsam mit dem Orchester der Wiener Symphoni-, ker wahrhaft mitreißend musiziert. Irmgard Seefriėd, Julius Patzak, Gottlob Frick und Walter Berry waren die Solisten dieser festlichen Aufführung,

Die Wiener Philharmoniker eröffneten, ihren heurigen Abonnement-Zyklus mit einem interessanten Konzert unter Dimitri Mitropoulos. Mendelssohns „R ef o rm a t i o ns - Symphonie" wurde in diesen Konzerten 1879 (unter Hans Richter) zum letztenmal gespielt. Zufall oder Absicht? Man kann sich jedenfalls gut vorstellen, daß begeisterte Wagner-Dirigenten ihrem Idol nicht gern in den Stammbaum schauen lassen wollen. Denn die Choralweise, welche die Einleitung des 1. Satzes beschließt, ist zwar als „Dresdener Amen-Formel" damals allgemein bekannt gewesen, aber die gapze Art, wie sie von Mendelssohn instrumentiert und

harmonisiert wurde — das hat Wagner später wörtlich als Gralsmotiv in den „Parsifal“ übernommen Als Hauptwerk stand Gustav Mahlers 6. Symphonie auf dem Programm, ein in jeder Hinsicht großartiges Werk: riesig in den Dimensionen (und trotzdem wohlproportioniert mit den eine Einheit bildenden ersten drei Sätzen von etwa 40 Minuten Dauer und dem gewaltigen halbstündi

gen Finale)4 von großer Art in seiner Aussage, im Reichtum der melodischen Einfälle und in der Meisterschaft des Kompositorischen. Nur einem großen Künstler und einem universellen Geist, wie Dimitri Mitropoulos, konnte eine so authentische Wiedergabe gelingen. Und einem Meisterorchester, das sich mit dieser Aufführung selbst übertroffen hat.

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